Dieser Artikel ist schon etwas älter und entspricht nicht mehr überall dem Stand der Technik. Neuere und allgemeinere Informationen über die Vor- und Nachteile verschiedener Arbeitsfarbräume gibt es unter "Farbmanagement für Hobbyfotografen" hier und hier.
Alles, was in meinen Artikeln oder anderswo über die Vor- und Nachteile verschiedener Farbräume gesagt wird, bezieht sich auf die Arbeit mit echtem Farbmanagement. Aber Farbmanagement ist noch keineswegs selbstverständlich. Ohne aktives Farbmanagement sehen eigentlich identische Bilder in sRGB und AdobeRGB plötzlich unterschiedlich aus - was nicht im Sinne des Erfinders ist. Darin liegt übrigens auch die häufigste Fehlerquelle im Umgang mit AdobeRGB.
Echtes Farbmanagement steht nur zur Verfügung, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:
1) Das Bild besitzt einen definierten Farbraum (z. B. sRGB).
2) die benutzte Software unterstützt Farbmanagement.
3) es ist ein Profil des Ausgabegerätes (z. B. Monitor) installiert.
Nur so kann aus den definierten Farben des Bildes (Arbeitsfarbraum-Profil) und denen des Ausgabegerätes (Monitor-Profil bzw. Drucker-Profil) eine korrekte Wiedergabe errechnet werden.
Das ist auch, vereinfacht gesagt, die Funktionsweise jedes Farbmanagement-Systems: Man benötigt zu jeder Zeit mindestens zwei Profile, so dass die Eingangsfarben auf die Ausgabefarben umgerechnet werden können. Und man benötigt ein System, das diese Umrechnung vornimmt.
Zeigt man RGB-Bilder in einer Software an, die kein Farbmanagement unterstützt (das sind immer noch die meisten), wird stets der native Monitorfarbraum genutzt. Das heißt also, dem Computer ist dann völlig egal, in welchem Arbeitsfarbraum das Bild angelegt ist. Z. B. ein 255/0/0-Rot wird als stärkstes mögliches Monitorrot angezeigt, obwohl dieser Farbwert aus einer AdobeRGB-Datei anders interpretiert werden müsste als aus einer sRGB-Datei. Das gilt übrigens auch, wenn der Monitor kalibriert wurde. Das echte Farbmanagement wird nämlich nur dann aktiv, wenn es vom anzeigenden Programm unterstützt wird und somit das Monitorprofil zur Anwendung kommt; die Kalibrierung allein hilft noch nichts, denn sie ist nur eine vorbereitende Maßnahme. (Nähere Infos zum Thema Kalibrierung/Profilierung finden Sie übrigens hier.)
Wie nahe die Bildwiedergabe ohne Farbmanagement der Farbraumdefinition kommt, hängt ganz davon ab, wie nahe der Monitorfarbraum am Arbeitsfarbraum liegt. Gängige Billig-TFTs orientieren sich an sRGB, so dass man mit sRGB zwar keine exakten, aber annehmbare Ergebnisse erzielt. Monitore mit sogenannter "Werkskalibrierung auf sRGB" treffen den sRGB-Farbraum sogar ziemlich genau. Aus diesem Grund gilt auch die allgemeine Empfehlung, für Internetseiten Bilder stets in sRGB anzulegen bzw. dorthin zu konvertieren.
Die oft gelesene Behauptung, Internetbrowser ohne Farbmanagement zeigten sRGB korrekt an, stimmt aber nicht. sRGB ist in diesem Fall lediglich eine Näherung, und zwar in Abhängigkeit vom Monitor. Solange man die Wiedergabe nicht auf ein bestimmtes Gerät optimieren kann, bleibt sRGB der beste Kompromiss - natürlich ohne jede Garantie auf Genauigkeit.
Nun kommt die interessante Frage, was denn wirklich passiert, wenn man ein AdobeRGB-Foto unkonvertiert im Browser anzeigt. Erst an einem Beispiel kann man beurteilen, wie groß oder klein die sichtbaren Unterschiede sind. Genauigkeitsfanatiker werden sehr deutliche Unterschiede sehen, während Anfänger mit ungeschultem Auge vielleicht erst beim zweiten Hinschauen Unterschiede feststellen.
Ich habe für den Vergleich ein Testbild mit satten Farben gewählt. Die AdobeRGB-Version und die sRGB-Version dieses Testbildes wären bei korrekter Interpretation farblich identisch (das sRGB-Bild wurde nach AdobeRGB konvertiert).
In Programmen ohne Farbmanagement sehen Farben von AdobeRGB-Bildern gegenüber sRGB-Bildern weniger gesättigt aus und sind geringfügig ins Blaugrüne verschoben. Diese Unterschiede kommen daher, dass das sRGB-Bild genauso behandelt wird wie das AdobeRGB-Bild. Da dieselben Farben in AdobeRGB andere RGB-Werte haben als in sRGB, sehen die Bilder nun unterschiedlich aus.
Diese Fehlinterpretation ist in vielen Browsern immer noch Standard und kann daher von Webdesignern noch nicht ignoriert werden. Andere Anwendungsprogramme ohne echtes Farbmanagement, z. B. sämtliche Office-Programme, haben dasselbe Problem. (Ich simuliere den Unterschied hier auch in farbmanagementfähigen Browsern, indem ich die AdobeRGB-Version absichtlich als sRGB fehl-interpretiere.)
Ich erkläre es nochmal am Beispiel der roten Stellen, an denen die Unterschiede besonders deutlich werden: Im sRGB-Bild haben die am stärksten gesättigten Stellen den Wert 255/0/0, was das stärkste Rot ist, das sRGB überhaupt darstellen kann. Im AdobeRGB-Bild haben dieselben Stellen nur den Wert 220/0/0, weil AdobeRGB noch Reserven für leuchtendere Rottöne hätte (die in diesem Bild aber nicht vorkommen). Wenn die Farbraumdefinition im Browser nicht berücksichtigt wird, sieht das AdobeRGB-Bild daher blasser aus als das sRGB-Bild.
Erst wenn man diese beiden Bilder in einem farbmanagementfähigen Programm öffnet und der AdobeRGB-Version wieder das korrekte Profil zuweist, sehen die Farben identisch aus. Die Farbe jedes Pixels wird dann nämlich gemäß der Farbraumdefinition korrekt interpretiert und in den Monitorfarbraum umgerechnet. Somit sieht dann der sRGB-Wert 255/0/0 auf dem Monitor genauso aus wie der AdobeRGB-Wert 220/0/0.
Wenn ein RGB-Bild anders angezeigt wird als seine Farbraumdefinition dies vorscheibt, sagt man "es wird falsch interpretiert". Wenn man AdobeRGB als sRGB interpretiert (wie in diesem Beispiel), wirkt es zu blass. Wenn man ein sRGB-Bild fälschlich als AdobeRGB interpretiert, wird die Sättigung zu hoch. Richtig extrem wird das, wenn noch größere Farbräume als AdobeRGB involviert sind.
(Aber Vorsicht: Nur, weil eine Interpretation der Farbräume stattfindet, heißt das nicht immer, dass auch korrekt in den Monitorfarbraum umgerechnet wird. Etwa der Internet Explorer ab Version 9 praktiziert nur ein idiotisches Pseudo-Farbmanagement. Weitere Infos zu farbmanagementfähigen Browsern und ihren Unzulänglichkeiten finden Sie hier.)
Wie wir schon gesehen haben, sollten Bilder für die Anzeige im Browser möglichst im sRGB-Farbraum vorliegen (auch wenn das in Browsern, die kein Farbmanagement können, nur eine Näherung ist).
Auch die meisten Belichtungsdienste verarbeiten ausschließlich sRGB-Dateien; andere Farbraumprofile werden ignoriert und die Bilder als sRGB interpretiert, was dann zu blasseren Farben und evtl. Farbstichen führt.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als AdobeRGB-Dateien für die genannten Anwendungen in sRGB zu konvertieren. Dabei werden die Farben entsprechend der Farbrauminformation umgerechnet, also im obigen Beispiel würde z. B. beim Konvertieren der RGB-Wert 220/0/0 zum Wert 255/0/0. Es ist dann dasselbe Rot, nur nach einer anderen Farbraumdefinition ausgedrückt.
Leider ist das Konvertieren ein verlustbehafteter Vorgang und sollte nicht öfter als nötig durchgeführt werden. Die 256 Helligkeitswerte jeden Kanals müssen ja wieder in 256 Helligkeitswerte überführt werden. Logischerweise kommt es dabei zu Rundungsungenauigkeiten, die sich optisch als Vergröberung von Farbabstufungen bemerkbar machen können. Man kann die Verluste nur in Grenzen halten, wenn das Ausgangsbild in höherer Farbtiefe (16 Bit pro Kanal) vorliegt.
Ohne Konvertierung nutzen lässt sich AdobeRGB nach heutigem Stand der Technik eigentlich nur in zwei Fällen: Wenn die Bilder auf dem Monitor betrachtet werden und die anzeigende Software Farbmanagement beherrscht, oder wenn das Bild gedruckt/belichtet wird und der Drucker/Belichter Farbmanagement anwendet.
Während farbmanagement-fähige Programme und/oder die Treiber aktueller Foto-Tintenstrahldrucker meist Farbprofile auswerten können, sieht es im Bereich der Belichtungsdienste noch schlecht aus. Meines Wissens bieten bisher nur "Fotocommunity Prints" und "Saal-Digital" ein echtes Farbmanagement. Alle anderen verlangen sRGB, konvertieren intern alles nach sRGB oder versprechen zumindest mit sRGB die korrektesten Ergebnisse.
Generell sollte man Bilder immer in sRGB weitergeben, solange man nicht sicher weiß, dass der Empfänger Ahnung von Farbmanagement hat und einen anderen Farbraum korrekt nutzen würde.
Falls man professionell arbeitet und die Bilder an Verlage oder Bildagenturen weitergibt, ist die Situation etwas anders. Dort wird AdobeRGB allgemein akzeptiert oder sogar ausdrücklich gewünscht. Wenn das der Fall ist, kann man natürlich sorglos Bilder in AdobeRGB erstellen.
Autor: Andreas Beitinger
Letzte Änderung: Oktober 2012
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