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Arbeitsfarbräume

Vor- und Nachteile gängiger Arbeitsfarbräume

Wer mit der digitalen Fotografie anfängt, benutzt sehr wahrscheinlich sRGB - schon, weil die Kamera es in Basiseinstellung so vorgibt. Erst die weitere Beschäftigung mit der Thematik wirft dann die Frage nach größeren Farbräumen auf.

Viele fortgeschrittene Anwender rümpfen angesichts der Größe von sRGB die Nase und bestehen darauf, mit größeren Farbräumen zu arbeiten. Dafür gibt es in der Tat gute Argumente, denn die begrenzte Größe von sRGB beschneidet die Fähigkeiten vieler heutiger und künftiger Ausgabegeräte. Der Direktvergleich mit dem Farbraum eines guten Tintenstrahldruckers zeigt, dass dieser im Bereich Gelb und Blaugrün ein paar Farben drucken könnte, die sRGB nicht enthält. Im Gelb-Bereich geht der Tintenstrahldrucker sogar über AdobeRGB hinaus.

Allerdings verhalten sich Dinge in der Praxis oft etwas anders als in der Theorie. Nur weil ein paar theoretisch wegfallende Farbtöne existieren, heißt das ja noch nicht, dass diese Farben in praktisch aufgenommenen Fotos in nennenswertem Umfang vorkommen. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass es nur sehr wenige Fälle gibt, wo beim Ausgeben auf Papier (egal ob im Belichter oder über Tintenstrahldrucker) ein größerer Arbeitsfarbraum sichtbare Vorteile gegenüber sRGB bringt. Es geht ja wirklich nur um eine kleine Schnittmenge von Farben, die das Ausgabegerät darstellen könnte, aber die in sRGB fehlen. Den Großteil der Farben, die z. B. AdobeRGB oder ECI-RGB gegenüber sRGB im Vorteil ist, kann der Drucker bzw. Belichter sowieso nicht darstellen. Vom Gesamtvolumen her sind die gängigen Drucker- und Belichterfarbräume sogar deutlich kleiner als sRGB.

Etwas anders sieht es aus, wenn man an moderne Monitore mit erweitertem Farbraum denkt (auch als "Wide-Gamut-Monitore" bezeichnet) und die Präsentation auf solchen Monitoren auch das Endziel der Bearbeitung ist. Dann hat ein großer Arbeitsfarbraum fraglos Vorteile.
Mittlerweile gibt es sogar weiterentwickelte Foto-Druckverfahren mit hochdeckenden Spezialtinten, deren Farbräume extrem groß ausfallen und kaum noch Ähnlichkeit mit den klassischen Belichter- und Druckerfarbräumen haben. Wer seine Bilder auf solchen Geräten ausgibt, wird mit sRGB gegenüber größeren Farbräumen öfter mal sichtbare Nachteile haben. Aber das sind Ausnahmen, und es betrifft 95 % der heute erhältlichen Druckermodelle noch nicht.

Ob und in welchem Umfang extreme Farben im Bild vorkommen, ist nicht zuletzt vom Motiv abhängig. Motive mit naturgemäß wenig gesättigten Farben (Porträts, dunstige Landschaften usw.) enthalten so gut wie keine Farben, die über sRGB hinausgehen. Hier kann sRGB sogar von Vorteil sein, weil die Abstufungen der tatsächlich vorhandenen Farben feiner sind. Der Vorteil großer Farbräume zeigt sich ja auch auf den guten Monitoren und hochwertigen Drucken erst dann, wenn starke Farbsättigung tatsächlich im Bild vorliegt. Klassische Beispiele sind bunte Blumen und Sonnenuntergänge; auch durch eine nachträgliche Steigerung der Farbsättigung im Zuge der Bildbearbeitung können Farben entstehen, die dann den sRGB-Farbraum weit sprengen.

Der Hobbyfotograf steht also irgendwann vor der Entscheidung, ob er seine Bilder in sRGB oder in einem größeren Farbraum anlegt. Mit sRGB hat er den weitaus problemloseren Workflow, weil er die Bilder ohne Konvertierung auch fürs Internet und allgemeine Zwecke (z. B. E-Mail-Weitergabe an Freunde) benutzen kann. Wenn nichts mehr konvertiert werden muss, kann man die Bilder auch in JPEG archivieren - was gegenüber 16-Bit-TIFF enorm Speicherplatz spart. Für die alltägliche Ausgabe mit gängigen Fotodruckern und Belichtern stellt der sRGB-Farbraum in der Praxis keine große Einschränkung dar - auch wenn die Theoretiker mit Verweis auf die Farbraumspitzen etwas Anderes behaupten mögen. Und da die meisten heutigen Monitore nicht viel mehr als sRGB darstellen können, wäre die Anwendung größerer Farbräume ohnehin farblicher Blindflug; da ist die Beschränkung auf den vollständig darstellbaren sRGB-Farbraum die sicherste Variante.

Das passiert, wenn Arbeitsfarbräume als sRGB fehlinterpretiert werden (z. B. in einem Anwendungsprogramm oder in einem Labor ohne Farbmanagement): Links die korrekte Version in sRGB, in der Mitte AdobeRGB und rechts ProPhotoRGB.

Ein größerer Arbeitsfarbraum hat bei Bearbeitung und Vorführung der Bilder auf hochwertigen Monitoren (und evtl. künftigen hochwertigen Beamern) Vorteile. Auch die besonders farbstarken Spezial-Druckverfahren erfordern einen großen Arbeitsfarbraum. Im Hinblick auf längerfristige Archivierung und künftige Nutzung spricht also Vieles für die Benutzung eines größeren Farbraums. Die Kehrseite der großen Farbräume ist der umständlichere Workflow: Ohne Farbmanagement geht dann gar nichts mehr. Man muss immer Profile einbetten und darf keine Software mehr verwenden, die die Profile verwirft. Man kann die Bilder auch auf einfachen Monitoren nur noch mit Bildbetrachtern anschauen, die Farbmanagement beherrschen. Man kann Bilder nicht mehr unkonvertiert an Freunde schicken, die von Farbmanagement nichts verstehen; zu groß wäre die Gefahr, dass sie dort komplett falsch interpretiert werden (d. h. in der Regel zu blass und evtl. mit falscher Helligkeitsverteilung dargestellt werden). Für viele alltägliche Zwecke muss man die Bilder also erst wieder in sRGB konvertieren. Und um ohne zu große Verluste konvertieren zu können, sollten die Bilder dann in 16 Bit Farbtiefe vorliegen - was die Archivierung erschwert, weil JPEG als Archivformat dann nicht mehr in Frage kommt.

Selbst bei Beschränkung auf die rein technischen Aspekte ist es nicht so, dass der große Farbraum nur Vorteile hat. Die Befürworter großer Farbräume argumentieren richtigerweise, dass ein kleiner Farbraum die farblichen Möglichkeiten von Geräten beschneidet. Dabei übersehen sie gern die Tatsache, dass die Vergrößerung des Farbraumes mit einer Vergröberung der Farbabstufungen erkauft wird. Im Zuge einer stärkeren Bearbeitung kommt es daher mit einem großen Farbraum viel leichter zu Tonwertabrissen. Bleibt man bei 8 Bit (um in JPEG archivieren zu können), wird ein großer Farbraum unterm Strich eher qualitative Nachteile bringen als qualitative Vorteile. Das Problem lässt sich durch die Arbeit in 16 Bit Farbtiefe beseitigen, aber spätestens bei der Frage der Archivierung von 16-Bit-Dateien holt uns das Workflow-Problem wieder ein.

Eine ganz andere Überlegung ist, inwieweit man sich überhaupt schon heute festlegen muss. Wer im RAW-Format fotografiert und diese RAW-Bilder auch archiviert, kann sie später immer wieder neu konvertieren und dabei jeweils neu einen Arbeitsfarbraum festlegen. Es ist also nicht zwingend nötig, einen heute noch unnötig großen Farbraum zu verwenden, wenn man davon erst in etlichen Jahren profitieren könnte.
Anders sieht das aus, wenn jemand seine Bilder sehr umfangreich nachbearbeitet, z. B. in Form von Retuschen oder Fotomontagen. Das funktioniert nur mit fertigen Bildern, und niemand wird die ganze Arbeit in einigen Jahren wieder ganz neu machen wollen. In diesem Fall ist es nötig, sich jetzt auf einen Farbraum festzulegen.

Es ist unmöglich, einen allgemein gültigen Rat für alle Hobbyfotografen zu geben. Seien Sie also misstrauisch, wenn Ihnen jemand einen bestimmten Arbeitsfarbraum als den einzig Richtigen verkaufen will!

Man muss unterscheiden, wie die Bilder genutzt werden und wie stark sie nachbearbeitet werden. Von Letzterem hängt nämlich ab, ob später ein erneuter Zugriff aufs RAW-Original praktikabel ist; wenn ja, kann dies die Frage nach dem heute sinnvollen Arbeitsfarbraum deutlich entspannen, und man kann für fertige Bilder getrost sRGB verwenden.

Dass sRGB den einfacheren Workflow ermöglicht und durch seine Standardisierung bestimmten Problemen (z. B. Profilverlust) vorbeugt, ist unbestritten. Ebenso klar ist, dass erst größere Farbräume die Möglichkeiten bestimmter Ausgabegeräte voll ausschöpfen können.

Wer in Richtung Bildpräsentation per Monitor, Fernseher oder Beamer denkt und seine Fotos auch in einigen Jahren auf den dann erhältlichen Geräten optimal präsentieren möchte, kann schon heute die Benutzung eines größeren Farbraums in Erwägung ziehen.
Wer als Ziel seiner Fotografie in erster Linie Papierbilder aus dem Labor oder aus einem günstigen Tintenstrahldrucker sieht, kommt mit sRGB gut aus. Die Vorteile größerer Farbräume sind hier in der Praxis viel geringer als in der Theorie, sofern man sich nicht gerade auf flächige Motive mit sehr hoher Farbsättigung spezialisiert hat.
Übrigens verwendet auch der Autor dieses Artikels seit Jahren für seine Fotos nur sRGB (aber natürlich werden die RAWs archiviert).

Falls Sie mit verschiedenen Farbräumen experimentieren und die Ergebnisse vergleichen, beachten Sie bitte, dass die meisten Kamera-Displays keinem Farbmanagement unterliegen; manche zeigen aufgrund der Fehlinterpretation in AdobeRGB-Einstellung sogar blassere Farben als in sRGB-Einstellung. Verwechseln Sie diese farblichen Abweichungen also nicht mit den tatsächlichen Unterschieden der Farbräume in fertig nutzbaren Bildern!
Wenn Sie zwei Farbräume neutral vergleichen wollen, fotografieren Sie bitte im größeren Farbraum (bzw. stellen Sie Ihren RAW-Konverter auf den größeren Farbraum ein) und konvertieren Sie das Ergebnis dann relativ farbmetrisch in den kleineren! Nur so erhalten Sie zwei Bilddateien, die bis auf die farbraumbedingten Unterschiede identisch sind.

Autor: Andreas Beitinger
Letzte Änderung: August 2019
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