Dieser Artikel ist schon etwas älter und entspricht nicht mehr überall dem Stand der Technik. Neuere und allgemeinere Informationen über die Vor- und Nachteile verschiedener Arbeitsfarbräume gibt es unter "Farbmanagement für Hobbyfotografen" hier und hier.
Die Frage, ob man an der Kamera standardmäßig sRGB oder AdobeRGB als Ausgabefarbraum einstellen solle, gehört zu den heiß diskutierten in den Fotografie-Foren. Jede digitale Spiegelreflex und fast jeder RAW-Konverter bietet diese Auswahl. Die zugehörige Bedienungsanleitung macht meist nur Angaben von der Art "Wählen Sie AdobeRGB, wenn Sie Ihre Bilder später noch nachbearbeiten werden". Na toll. Mit solchen Tipps kann der Anfänger nun wirklich nichts anfangen.
Das Internet und Fachbücher sind voll von gutgemeinten Ratschlägen -
oft zugunsten von AdobeRGB. Die Rede ist dann vom "größeren Farbraum"
und davon, dass man den Farbraum "nicht durch sRGB beschneiden" solle.
Anhand von grafischen Darstellungen der Farbräume wird dieser
Unterschied auch eindrucksvoll belegt; dabei dürften nur die wenigsten
Anfänger eine Vorstellung haben, was ein Farbraum eigentlich ist und wie
er sich auf dem Foto in der Praxis bemerkbar macht.
Zahlreiche Anfänger folgen dieser Empfehlung und nutzen AdobeRGB. Das
Ergebnis sind neue Probleme. "Warum sehen meine Bilder in Photoshop sehr
gut aus, sind aber im Internet viel blasser?" - Tja, Schuld daran hat
der falsch angewendete AdobeRGB-Farbraum. Leider hat der größere
Farbraum auch Nachteile, wenn man seine Funktionsweise gar nicht
versteht und ihn unsachgemäß nutzt.
Nicht zufällig gibt es viele kundige Fotografen (auch Berufsfotografen),
die für sich in AdobeRGB eher Nachteile als Vorteile sehen. Je nach
Aufgabenstellung verwenden sie noch größere Farbräume als AdobeRGB, oder
sie beschränken sich bewusst auf sRGB.
Am Ende jeder dieser Diskussionen sieht sich der interessierte Einsteiger vor zwei Lagern: Die einen wollen ihn zu AdobeRGB oder einem noch größeren Farbraum bekehren und versprechen ihm dadurch bessere Qualität, die anderen bezweifeln diesen Qualitätsgewinn und warnen vor den Fehlerquellen, die große Farbräume bereithalten. Die Diskussion kann religiöse Züge annehmen, und es stellt sich die Frage, welchem Lager man folgen soll.
Am besten kann man sich entscheiden, wenn man nicht auf Glauben und Meinungen anderer angewiesen ist (dies gilt ausdrücklich auch für mein untenstehendes Fazit), sondern den Sachverhalt selbst versteht.
Ich möchte also mit den hier gesammelten Artikeln ausreichende Hintergrundinformationen bereitstellen und die Unterschiede zwischen sRGB und AdobeRGB möglichst gut und sachlich erklären. Ansprüche und Erwartungen sind verschieden. Wer nach Lektüre dieser Erklärungen noch nicht weiß, welchen Farbraum er künftig nutzen will, möge eigene Versuche durchführen - denn Praxis und Theorie gehen nicht selten auseinander.
Ein Detail sei hier aber gleich vorweggenommen: Fotografiert man im RAW-Format, kann man die Entscheidung über den Arbeitsfarbraum auch noch später treffen. Kamera-Rohdaten haben prinzipbedingt noch keinen Farbraum; der Farbraum, der zum Zeitpunkt der Aufnahme an der Kamera eingestellt ist, wirkt sich lediglich auf das eingettete Vorschau-JPEG aus und wird zur Voreinstellung in manchen RAW-Konvertern, wirkt aber nicht auf die eigentlichen Rohdaten.
Der Name "AdobeRGB" kommt daher, dass die Firma Adobe (Hersteller von Photoshop) diesen Farbraum einst erfunden und ihm ihren Namen gegeben hat. Es gibt aber keinen technischen Grund, warum man als Benutzer eines Adobe-Produktes den "Adobe-Farbraum" vorziehen sollte; das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Man kann mit Adobe-Software andere Farbräume nutzen, und man kann AdobeRGB mit Software anderer Hersteller nutzen.
Der sRGB-Farbraum ist ein Quasi-Standard im gesamten
Consumer-Segment. Kompaktkameras und DSLRs in Standardeinstellung geben
sRGB-Daten aus, so dass der allergrößte Teil der heute erzeugten
Bilddaten in sRGB vorliegt. Günstige Monitore können maximal den
sRGB-Farbraum darstellen, oft sogar weniger (z. B. Notebooks). Auch die
meisten heutigen Fernsehgeräte und Beamer sind auf sRGB beschränkt. Die
meisten Labore erwarten ausschließlich sRGB-Daten und interpretieren die
Farben sogar falsch, wenn sie in AdobeRGB oder einem anderen großen
Farbraum abgeliefert werden. Selbst die Treiber günstiger
Tintenstrahldrucker sind ganz auf sRGB ausgelegt.
Wenn das Betrachten an einem günstigen Monitor oder Notebook-Display,
die Veröffentlichung im Internet, die Wiedergabe mit Heimkino-Beamern,
die Bildbestellung bei typischen Belichtungsdiensten oder der Druck auf
einfachen Tintenstrahldruckern im Vordergrund steht, erzielt man mit
AdobeRGB keine Verbesserungen gegenüber sRGB. Eher handelt man sich
Farbprobleme ein.
AdobeRGB hat sich in der Druckbranche als ein Standard etabliert und wird
daher von manchen Auftraggebern verlangt. Auch Besitzer von guten Monitoren mit
erweitertem Farbraum, die ihre Bilder direkt am Monitor vorführen, können von
AdobeRGB und anderen großen Farbräumen profitieren.
Hochwertige Foto-Tintenstrahldrucker bieten deutlich größere Farbräume als
Fotobelichter, so dass man zumindest einen Teil der Mehrfarben von AdobeRGB und
anderer großer Farbräume zu Papier bringen kann.
AdobeRGB sollte man allerdings nur benutzen, wenn man die nötige
Softwareausstattung hat und über hinreichende Farbmanagement-Kenntnisse verfügt.
Falsch angewendetes AdobeRGB ist nicht nur nutzlos, sondern es führt sogar zu
sichtbar schlechteren Bildergebnissen.
Ein AdobeRGB-Workflow ist im Consumer-Umfeld immer etwas umständlicher als ein
sRGB-Workflow, weil man auf die Erhaltung der Profile achten und für viele
Zwecke doch wieder nach sRGB konvertieren muss. Ob die nur selten nutzbaren
Vorteile den Mehraufwand für einen großen Farbraum rechtfertigen, will sachlich
abgewogen werden.
Ich selber nutze nach wie vor sRGB und würde dies auch anderen Hobbyfotografen empfehlen.
Autor: Andreas Beitinger
Letzte Änderung: Oktober 2012
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AdobeRGB - Vorteil durch größeren Farbraum?
Praktischer Umgang mit Farbräumen