Praxisvergleich Nikon D70 gegen D200

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6 Megapixel gegen 10 Megapixel

Auch wenn die Hersteller längst aufgehört haben, mit Megapixeln zu werben, und auch wenn in Fotografie-Foren mittlerweile sehr häufig die Formel heruntergebetet wird "Pixelzahlen sind nicht wichtig", so hat sich dennoch der Wertbegriff des "Megapixels" in den Köpfen vieler Amateure und Laien eingebrannt. Wird man fotografierenderweise auf der Straße von Leuten auf seine Kamera angesprochen, zielt deren erste Frage auf die Zahl der Pixel. Auch zu den meistzitierten Unterschieden der hier verglichenen Kameramodelle D70 und D200 gehört die Tatsache, daß die D200 mit "zeitgemäßen" 10 Megapixeln dienen kann, während die D70 mit "veralteten" 6 Magapixeln leben muß. Man wird also die Frage stellen dürfen oder müssen, wieviel besser diese 10 Megapixel nun in der Praxis wirken.

In der Frühphase dier Digitalfotografie, also vor weniger als zehn Jahren, bestanden Verbesserungen noch darin, daß ein neues Kameramodell z. B. statt VGA-Auflösung (300.000 Pixel) einen ganzen Megapixel (1.000.000 Pixel) auflösen konnte. Das waren Fortschritte, die man schon auf postkartengroßen Bildern sofort sah, und darauf begründete sich auch der Begriff der "Megapixel". Heute finden Fortschritte längst woanders statt.

Bekannt ist, daß die meisten Profis und auch erfahrene Amateure mittlerweile aufgehört haben, Pixel zu zählen. War anfangs noch die Steigerung der Auflösung von 1 über 2 bis hin zu 3 Millionen Pixeln ein wichtiger Fortschritt, sind die Kameras seit Erreichen der 5-6 Megapixel in Qualitätsbereiche vorgestoßen, wo immer öfter das Objektiv das begrenzende Element ist - von möglichen Aufnahmefehlern wie Wahl der falschen Blende, Defokussierung oder Verwackeln ganz zu schweigen.
Ob man den Unterschied zwischen 6 und 10 Megapixeln tatsächlich noch nutzen kann, hängt also von einigen Faktoren ab, und zuletzt auch vom Ausgabeformat. Erst Abzüge ab einer gewissen Größe oder starke Ausschnittsvergrößerungen sind überhaupt theoretisch in der Lage, solche Unterschiede sichtbar zu machen.
Solange man die höhere Auflösung nicht benötigt, stellt sie für RAW-Fotografen gar einen handfesten Nachteil dar. Während ein RAW-File der D70 im Schnitt ca. 5,5 MB benötigt, kommt ein (komprimiertes) RAW aus der D200 auf ca. 8,5 MB. Dieselbe 1-GB-Karte, auf die man mit der D70 noch über 180 Fotos speichern konnte, faßt bei der D200 plötzlich nur noch 120 Fotos. Anders als bei JPEG kann man die Auflösung der RAW-Files ja nicht herunterschalten.

Der fairste Vergleich wäre wohl die Anfertigung von Vergleichsfotos unter identischen Bedingungen und die anschließende Vergrößerung auf ein hinreichend großes Posterformat, das man dann im Detail nach Unterschieden absuchen kann. Dummerweise geht das nicht hier im Internet, weshalb ich eine andere Methode gewählt habe. Es geht am Ende halt darum, ob man bei identischem Ausgabeformat aus den Dateien der D200 mehr Details herauskitzeln kann. Daß der Vorteil nicht der rechnerischen Steigerung von 66 % entspricht (und daher ein 6-MP-Ausschnitt aus einem D200-Bild auf jeden Fall weniger scharf als ein originäres D70-Bild ist), hat sich bereits in meinem allgemeinen Qualitätsvergleich gezeigt.
Ich habe zunächst Vergleichsfotos mit beiden Kameras angefertigt, wobei ich jeweils dasselbe Objektiv, dieselbe Brennweite und dieselbe Blende benutzt habe. Da der automatische Weißabgleich der Kameras Abweichungen zeigt (die D200 tendiert zu wärmerer Abstimmung als die D70), habe ich zusätzlich mit beiden Kameras einen manuellen Weißabgleich durchgeführt. Z. T. sind es dieselben Testfotos, die ich auch hier benutzt habe.

Die Testaufnahmen wurden in Nikon Capture 4.4 konvertiert, wobei ich diesmal zur besseren Vergleichbarkeit die Schärfung ganz deaktiviert habe. (Aus diesem Grund sehen alle Beispiele etwas weich aus. Aber ich wollte ja nicht die standardmäßige Scharfzeichnung vergleichen, sondern die tatsächliche Detailauflösung.) Und nun kommt der Kniff: Um die Auflösungen direkt vergleichen zu können, habe ich die Aufnahmen beider Bilder direkt in Nikon Capture auf eine einheitliche Größe interpoliert, in diesem Fall eine Bildbreite von 5000 Pixeln. Das ist groß genug, um feine Unterschiede am Bildschirm sichtbar zu machen, die man auch auf einer Postervergrößerung sehen würde. Der Vergleich ist auch insofern fair, als auf die Bilder beider Kameras eine technisch ähnliche Interpolation/Vergrößerung angewendet wird. Würde man nur die Bilder der D70 auf 10MP hochrechnen und die der D200 1:1 verwenden, hätte die D200 einen leichten Vorteil.

Die Qualität dieser ungeschärfen und vergrößerten Ausschnitte mag auf den ersten Blick nicht optimal aussehen, aber man muß es im Zusammenhang sehen. Die hier gezeigten Ausschnitte sind auf einem 19"-TFT rund 11,7 cm breit. Das entspricht einer Vergrößerung des Gesamtbildes auf 146 x 97 cm (!). Selbst auf einem 17"-TFT entspricht es noch ca. 130 x 87 cm. Zudem würde man die Bilder im Fall eines wirklichen Posterdrucks sicher nicht ungeschärft benutzen.

Ich habe mehrere Vergleichsaufnahmen unter jeweils optimalen Bedingungen angefertigt (unverwackelt, optimale Blende, niedrigste ISO-Zahl). Da die D200 ISO100 beherrscht, die D70 aber erst bei ISO200 anfängt, waren die Belichtungszeiten an der D70 immer etwas kürzer. Nebenbei trat auch der Effekt auf, daß die Matrixmessung der D70 bei gleichen ISOs stets 1/3 Blende heller belichtet als die der D200, was nur die hellere Tonwertkurve der D200 ausgleicht (die Erklärung dazu gibt es hier).
Kritiker mögen nun einwenden, die D70 sei bei diesem Vergleich benachteiligt, weil sie ISO200 statt ISO100 liefern muß; mir ging es aber um die Feststellung, was jede Kamera idealerweise zu leisten fähig ist. Es wäre umgekehrt auch nicht fair, der D200 ihre bessere ISO-100-Einstellung vorzuenthalten. Völlig gerecht kann man zwei Kameras mit so unterschiedlichen Ausgangsbedingungen wohl nicht vergleichen.

Um denVergleich zu erleichtern, habe ich jeweils prägnante Ausschnitte der verschiedenen Testaufnahmen gegenübergestellt. Die Testaufnahmen wurden mit zwei verschiedenen Objektiven gemacht: die ersten 8 Bildausschnitte mit dem 3,5-4,5/18-70DX, die letzten 2 mit dem 1,8/50, aber immer mit optimaler Blende für bestmögliche Schärfe (f5,6 beim 1,8/50, f6.3 oder 8 beim 3,5-4,5/18-70DX).

D70 (6 Megapixel) D200 (10 Megapixel)
Beispiele mit DX 3,5-4,5/18-70
Beispiele mit 1,8/50

Auswertung: Bei genauer Betrachtung findet man fast in jedem Bild Unterschiede. Im 3. Ausschnitt wirkt gar das Bild aus der D70 etwas schärfer, was vermutlich mit ihrem schwächeren AA-Filter zu tun hat. (Der Unterschied würde natürlich durch nachträgliche Scharfzeichnung ausgeglichen. Alle diese Beispiele sind, wie gesagt, noch komplett ungeschärft und auf identische Breite hochgerechnet.)
Der Nachteil der D70 besteht weniger in geringer Detailauflösung als in der stärkeren Artefakt-Neigung, z. B. in dem Verkehrsschild im 1. Bild oder rechts unten im 6. Bild zu erkennen. Das ist die Kehrseite des schwachen AA-Filters.
Richtig deutlich ist der Auflösungsvorteil der D200 erst im 7. Ausschnitt (Stadtmauer) zu sehen. Besonders feingliedrige Motive in Verbindung mit dem noch besseren 50er-Objektiv (Ausschnitte 9 und 10) zeigen dann, welchen Vorteil die 10 MP wirklich gegenüber 6 MP haben können. Da werden tatsächlich mit 10 MP Schriften lesbar, die mit 6 MP noch unlesbar waren.

Fazit: Unter idealen Aufnahmebedingungen und bei entsprechender Ausgabegröße ist der Vorteil von 10 Megapixel gegenüber 6 Megapixel durchaus vorhanden, aber oft liegt er im Filigranen. Je besser das Objektiv ist, umso deutlicher werden die Unterschiede. Bei den meisten Motiven und/oder Aufnahmebedingungen wird man den Unterschied allenfalls im direkten Vergleich sehen. Wer sich mit dem Umstieg von 6 auf 10 MP einen großen Auflösungs-Vorsprung oder deutliche Reserven für Ausschnittsvergrößerungen erwartet hatte, wird enttäuscht.

Andreas Beitinger
2006
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