Konvertierungsmethoden (Rendering Intents)
Wie schon erwähnt, finden im Hintergrund des Anwendungsprogramms ständig Farbraumkonvertierungen statt. Sobald Farbmanagement aktiviert ist, wandert kein Bild zu irgendeinem Gerät, ohne dass vorher der Farbraum entsprechend umgerechnet worden wäre: Farbmanagement braucht zu jeder Zeit ein Eingangsprofil und ein Ausgabeprofil. Andernfalls hat das Farbmanagement ja nichts, was es managen kann. Statt vom Farbmanagement-System könnte man auch vom Farbraumkonvertierungssystem sprechen. Insofern ist es wichtig, diese zentrale Eigenschaft des Farbmanagements auch etwas detaillierter zu kennen.
Wenn Anfänger erstmals mit Farbmanagement in Berührung kommen, wundern sie sich oft, dass die Farben ihrer Bilder z. B. in ihrem Bildbearbeitungsprogramm anders aussehen als in einem Textverarbeitungsprogramm. Das kommt daher, dass das Bildbearbeitungsprogramm die Farben immer korrekt in den Monitorfarbraum konvertiert, während Office-Programme noch kein Farbmanagement unterstützen und die Daten unkonvertiert zum Monitor senden - was dann natürlich zu inkorrekter Darstellung führt. Auch die Monitorkalibrierung ändert daran übrigens nichts - doch dazu kommen wir später noch genauer.
Neben der ständig im Hintergrund ablaufenden Konvertierung zum Zweck der Monitordarstellung und des Druckes ist es mit guten Bildbearbeitungsprogrammen auch möglich, Farbräume ganz bewusst zu konvertieren. Im Einzelfall kommt es vor, dass man ein Bild mit eingebettetem RGB-Kameraprofil bekommt und es in einen genormten RGB-Arbeitsfarbraum konvertieren will, oder dass man ein Bild vom RGB-Arbeitsfarbraum ins CMYK-Profil einer bestimmten Druckmaschine konvertiert (wenn der Empfänger der Datei dies ausdrücklich so haben will, siehe hier). In der Praxis am häufigsten sind jedoch Konvertierungen von einem Arbeitsfarbraum in einen anderen.
Es gibt insgesamt vier genormte Methoden, nach denen Farbräume konvertiert werden können, und von denen insbesondere zwei für unsere fotografische Arbeit in Frage kommen. Auf Englisch nennt man diese Methoden "Rendering Intents". Jede hat Vor- und Nachteile, die man kennen sollte.
Grundproblem ist immer die Frage, wie man mit Farben verfahren soll, die es im Zielfarbraum nicht gibt. Solche Farben können auftreten, wenn man von einem größeren in einen kleineren Farbraum konvertiert. Ferner stellt sich noch die Frage, wie mit dem Weißpunkt verfahren werden soll. Der Umgang mit der Gammakorrektur ist hingegen klar: Sie wird, sofern sie in Ausgangs- und Zielfarbraum verschieden ist, immer angepasst. Meist ebenfalls angepasst wird der Kontrastumfang, also der Abstand zwischen Weißpunkt und Schwarzpunkt.
Relativ farbmetrisch (auch "relativ colorimetrisch") ist im fotografischen Bereich die Standard-Konvertierung schlechthin. Sie wird in Bildbearbeitungsprogrammen für die Monitordarstellung angewendet, und auch die meisten Fotolabore (soweit sie überhaupt Farbmanagement anbieten) konvertieren relativ farbmetrisch. Mit einfachen Matrix-Profilen als Zielprofilen (z. B. das normale sRGB-Profil oder gängige Monitorprofile) kann man von vornherein nur farbmetrisch konvertieren, so dass man gar keine Wahl hat.
Der Weißpunkt des Eingangsfarbraums wird beim relativ farbmetrischen Konvertieren auf den Weißpunkt des Zielfarbraums verschoben.
Dies macht die Konvertierung nur "relativ" und nicht "absolut".
Eine gleichzeitige Anpassung des Schwarzpunktes sieht die einfachste
Form der relativ farbmetrischen Konvertierung nicht vor. (Warum die
Erfinder des ICC-Farbmanagements hier eine Lücke gelassen haben, ist
nicht näher bekannt.) Dadurch kann es in den Schattenbereichen zu einer
mangelhaften Anpassung kommen. Allerdings hat es sich in der Praxis
weitgehend durchgesetzt, eine ergänzende "Schwarzpunktkompensation"
durchzuführen, die diesen Nachteil der relativ farbmetrischen
Konvertierung behebt.
Interessanter als die Kontrastfrage ist der Umgang mit den
gesättigten Farben.
Die Konvertierung jener Farben, die im Zielfarbraum
ebenfalls vorkommen, erfolgt 1:1 - nur halt ggfs. um die Weißpunkt-Abweichung verschoben.
Farben aus dem Eingangsfarbraum, die nicht im Zielfarbraum vorkommen, werden auf den nächst erreichbaren Außenpunkt des Zielfarbraums geschoben. Und hier liegt auch das grundsätzliche Problem der relativ farbmetrischen Konvertierung: Gibt es im Ausgangsbild deutliche Farbzeichnung außerhalb des Bereiches, den der Zielfarbraum abdeckt, geht diese Zeichnung verloren. Die stark gesättigten Farben werden ja alle auf das Sättigungs-Maximum reduziert, das der Zielfarbraum zulässt - und somit zu einer einzigen Farbsättigung vereinheitlicht. Aus farblichen Feinheiten werden Flächen.
Die perzeptive (auch "wahrnehmungsgetreue" oder "fotografische") Konvertierung ist der relativ farbmetrischen ähnlich, aber versucht genau das Kernproblem zu umgehen: Während Farben im Kern des Zielfarbraums auch hier mehr oder weniger 1:1 übernommen werden, findet zum Außenbereich hin eine Komprimierung des Eingangsfarbraumes statt: Die Farbsättigung der Farben, die außerhalb des Zielfarbraums liegen, wird so stark reduziert, dass sie nicht auf eine einzige Farbe vereinheitlicht werden muss. Zeichnung in diesen stark gesättigten Bereichen kann so, wenn auch in komprimierter Form, erhalten bleiben.
Nachteil der Methode ist, dass sie zwangsläufig auch die Sättigung randnaher Farben reduziert, die eigentlich 1:1 in den Zielfarbraum passen würden. In der Praxis führt die perzeptive Konvertierung daher zu einem im Vergleich zur farbmetrischen Version etwas schwächer farbgesättigten Bild.
Wie genau die Komprimierung aussieht, ist in der LUT des jeweiligen Zielprofils festgelegt. Deswegen kann man nur perzeptiv konvertieren, wenn das Zielprofil tatsächlich eine Tabelle für perzeptive Konvertierung enthält. Einfache Matrixprofile (z. B. die normalen sRGB- und AdobeRGB-Profile) scheiden als Ziel für die perzeptive Konvertierung von vornherein aus. Zwar kann man im Bildbearbeitungsprogramm in diesem Fall "perzeptiv" auswählen, aber in Wirklichkeit wird dann doch relativ farbmetrisch konvertiert.
Auch der Umgang mit den Kontrasten ist über die LUT des Zielprofils
geregelt. In der Praxis findet meist eine vollständige Einpassung in den
Kontrastumfang des Zielmediums statt; eine zusätzliche
Schwarzpunktkompensation ist nicht nötig.
Die Entscheidung zwischen relativ farbmetrischer und perzeptiver Konvertierung, sofern das Zielprofil die Wahl lässt, ist theoretisch eine Wahl zwischen zwei Übeln: Erhalt der Zeichnung in stark gesättigten Farben auf der einen Seite und Erhalt der maximal möglichen Sättigung auf der anderen Seite.
Die Praxis ist allerdings entspannter als die Theorie - denn
Motive, die selbst in einem großen Farbraum eine Vielzahl stark gesättigter Farbnuancen aufweisen,
sind im fotografischen Alltag die Ausnahme. Und nur, weil stark gesättigte Farben
vorhanden sind, muss nicht auch eine erhaltenswerte Zeichnung in diesen Bereichen
zu sehen sein. Wer stur alles perzeptiv konvertiert (wie es einige
Experten vorschlagen), verliert daher bei vielen Fotos im Vergleich zur
relativ farbmetrischen Methode an Sättigung. Andererseits ist dieser
Verlust an Farbsättigung nicht so schlimm, dass man deswegen die
perzeptive Methode gleich ausschließen sollte; je nach Ausgestaltung der
Zurordnungstabellen im Zielprofil kann der Farbverlust über weite Teile
des Farbraums unsichtbar bleiben und nur in den Randbereichen des
Zielfarbraums zum Tragen kommen.
Eine mögliche Strategie wäre, die relativ farbmetrische
Konvertierung (mit Schwarzpunktkompensation) allgemein als Standard zu
nutzen; wenn es tatsächlich mal zu störenden Farbvereinfachungen kommen
sollte, kann man immer noch ausnahmsweise zur perzeptiven Methode wechseln.
Falls man eine Software verwendet, die keine Schwarzpunktkompensation
beherrscht, kann ein Ausweichen auf die perzeptive Methode auch
hinsichtlich des Kontrastumfangs günstig sein; so vermeidet man z. B.
das Verschwinden von Zeichnung in dunklen Bildbereichen.
So gesehen,
ist die perzeptive Methode besonders für die Papier-Ausgabe die
sicherere Variante. Es gibt sogar Druckerprofile, die ausdrücklich auf perzeptive Konvertierung optimiert sind
und mit relativ farbmetrischer Konvertierung nur unbefriedigende Ergebnisse
liefern.
Was unterm Strich besser ist, muss man also vom Motiv, von
der Software und auch vom Aufbau der verwendeten Zielprofile abhängig
machen. Am besten ist es, beide zu vergleichen; dazu genügt häufig schon
der Softproof, so dass man den
Unterschied gleich sieht und (im Fall des Druckens) kein Fotopapier
verschwendet.
Die absolut farbmetrische (auch "absolut colorimetrische") Konvertierung macht dasselbe wie die relativ farbmetrische, nur werden in diesem Fall Weiß- und Schwarzpunkt nicht auf die des Zielfarbraums verschoben. Dieser Rendering Intent wird nur in Spezialfällen gebraucht (Proof-Druck, siehe hier).
Der vierte genormte Rendering-Intent "Sättigung" nimmt bewusst auch größere Farbabweichungen in Kauf, um stattdessen eine maximale Sättigung zu erzielen. Die Methode eignet sich aufgrund ihrer Arbeitsweise ausschließlich für farbige Texte und Grafiken, aber nicht für Fotos. Sie kann z. B. im Offsetdruck (CMYK-Konvertierung) benutzt werden, um eine Rasterung von farbigen Linien zu vermeiden. Für Fotos ist sie nicht zu gebrauchen.
Autor: Andreas Beitinger
Letzte Änderung: Oktober 2017
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