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Windiger Stativ-Test

Wie gut sich leichte Stative unter Windlast verhalten

Achtung: Dieser Artikel ist schon etwas älter und repräsentiert nicht mehr das aktuelle Stativ-Angebot.

Während erfahrene Fotografen auf stabile, schwingungsarme Stativkonstruktionen schwören und für eine gute Stativ-Kopf-Kombination mehrere Kilo Gewicht sowie Anschaffungspreise im drei- bis vierstelligen Bereich in Kauf nehmen, begnügt sich so mancher Einsteiger mit einem 30-Euro-Universalstativ aus dem Elektronikmarkt oder bestenfalls einem leichten Reisestativ für rund 100 Euro. Selbst mancher Profi hat neben seinen großen Stativen auch noch etwas Leichtes für unterwegs parat - dann aber meistens ein paar Preisklassen höher.

Die günstigen Leichtstative mögen wackeliger sein, aber gleich unter dem Gewicht der Kamera zusammenbrechen tun die meisten nicht. Benutzt man Fernbedienung oder Selbstauslöser und lässt die Kamera vor der Aufnahme genügend lang ausschwingen, können auch auf windigen Stativen noch scharfe Bilder gelingen.

War früher das entscheidende Argument für Stativstabilität der Spiegelschlag, spielt dieser heute nur noch eine Nebenrolle: Fast alle aktuellen DSLRs bieten eine Form der Spiegelvorauslösung, und gleichzeitig gewinnen spiegellose Systemkameras rapide an Bedeutung. Gerade als Nutzer einer modernen Systemkamera oder Kompaktkamera schleppt man nicht so gerne ein schweres Stativ; man will ja nicht den Gewichtsvorteil bei Kamera und Objektiven durch einen schweren Brocken von Stativ entwerten.
Was allerdings - unabhängig von Gewicht und Arbeitsweise der Kamera - immer noch für erhebliche Verwacklung sorgen kann, sind äußere Einflüsse wie der Wind oder auch Vibrationen des Bodens. Kurzum: Es stellt sich die Frage, wie weit man mit Leichtstativen unter nicht ganz optimalen Bedingungen kommt.

Testaufbau

Nun ist es nicht so einfach, ein Stativ auf Windanfälligkeit zu testen. Der echte Wind kommt in Böen und bietet keine reproduzierbaren Testbedingungen. Ideal wäre ein Test in einem Windkanal oder mit Hilfe einer großen Windmaschine aus dem Filmstudio, aber leider kommt man da als Normalbürger nicht so einfach ran.

So habe ich mir überlegt, wie man mit Haushaltsmitteln zumindest näherungsweise Wind simulieren kann:

Ich blase mit einem (auf kalt gestellten) Fön gegen die Kamera. Der Fön wird immer auf dieselbe Stelle am Objektiv ausgerichtet, und den Abstand kontrolliere ich mit einem Lineal. So sollten die Ergebnisse reproduzierbar sein.
Dass man Wind auf diesem Weg nicht vollständig simulieren kann, ist mir natürlich klar. Echter Wind würde das ganze Stativ angreifen, nicht nur die Kamera. Aber die Kamera bietet viel Angriffsfläche, und in seinem begrenzten Wirkungsfeld ist der Luftstrahl des Föns schon recht kräftig. Letztlich ist sowieso jeder natürliche Windstoß anders und greift von anderen Seiten an, und je nach Belichtungszeit wirkt er sich etwas anders aufs Bild aus. (Und außer Wind gibt es in der Praxis noch andere Schwingungsquellen.)
Was ich hier simuliere, ist also eine mögliche Wind-Variante. Für einen Anhaltspunkt, wie wackelig die Kamera-Kopf-Stativ-Kombination unter äußerer Anregung ist, sollte es allemal reichen.

Als Testkamera wird die Sony RX10 verwendet, eine Bridge-Kamera mit 1"-Sensor und einem Brennweitenbereich bis 73,3 mm (200 mm KB-Äquiv.). Sie liegt mit einem betriebsbereiten Gewicht von 840 Gramm in der Größenordnung leichter DSLRs oder spiegelloser Systemkameras mit Kit-Objektiven. Die RX10 löst erschütterungsfrei aus; so ist gewährleistet, dass die im Test sichtbare Verwacklung nicht von einem Spiegelschlag kommt, sondern wirklich vom Luftstrom verursacht wird..
Als Testmotiv kommt ein gedrucktes Blatt im A4-Format zum Einsatz, das mit seiner feinen Schrift eine gute Beurteilung der Schärfe erlaubt. Alle Testaufnahmen finden bei längster Brennweite (200 mm KB-Äquiv.) und höchster Auflösung (20 MP) statt. Der Abstand der Sensorebene zum Testmotiv beträgt jeweils 400 cm. Die Blende wird auf 5,6 gestellt, wo das Objektiv der RX10 seine beste Qualität erzielt. Die Belichtungszeit von 2 Sekunden liegt an der unteren Grenze zur Langzeitbelichtung.
Alle Auslösungen erfolgen vorsichtig und mit 10 Sekunden Selbstauslöser, so dass das Stativ ausschwingen kann.
Die Stative stehen während der Testaufnahmen auf weichem Teppichboden und werden nicht zusätzlich beschwert.

Übersicht der getesteten Stative

Getestet werden vier leichte Stative, die jeweils mit Kopf geliefert werden oder fest angebaute Köpfe haben:

- Bilora Tourism TT-1 (Gewicht 1090 g, Maximalhöhe 155 cm)
- Hama Traveller Pop-Up (Gewicht 295 g, Höhe 112 cm)
- Velbon Ultra MAXi L (Gewicht 1010 g, Maximalhöhe 152 cm)
- Hama Star 100 (Gewicht 444 g, Maximalhöhe 106 cm)

Als Referenz kommt ein stabiles Carbon-Videostativ (Manfrotto 535 mit Halbkugel-Nivellierung) zum Einsatz. Die untersten Beinsegmente werden gar nicht erst ausgezogen und statt eines Kopfes wird nur eine Adapterplatte von 3/8" auf 1/4" verwendet, um höchstmögliche Steifheit zu gewährleisten. In dieser Konstellation wiegt es insgesamt 2850 Gramm und damit ein Mehrfaches der getesteten Leichtstative.

Ergebnisse im Einzelnen

Von jeder Stativvariante gibt es zwei Bilder: zuerst eines bei absoluter Windstille, dann das mit eingeschaltetem Fön. Ich darf an dieser Stelle schon verraten, dass die Bilder bei Windstille alle ordentlich scharf sind und daher eher Kontrollcharakter haben. Entscheidend für die Beurteilung ist also immer die Unschärfe im rechten/zweiten (im Luftstrom aufgenommenen) Bild.

Um Platz zu sparen, zeige ich hier nur kleine Ausschnitte (100-%-Crops) aus den Originalbildern. Ein Klick auf die Crops führt jeweils zur unveränderten Originaldatei aus der Kamera - falls es jemand ganz genau studieren will.

Referenzstativ (Manfrotto 535)

Testbilder mit einem stabilen Referenzstativ sind nötig, damit man überhaupt eine Ahnung hat, was bestenfalls geht. Außer dem Stativ und seinem Kopf können sich unter dem Luftstrom des Föns ja auch Teile der Kamera und des Objektivs bewegen; das sollte man dann nicht den Stativen anlasten.

Tatsächlich ist die Schrift in dem unter dem Fön aufgenommenen Bild (rechts/zweites) zwar noch lesbar, aber nicht so scharf wie das bei Windstille gemachte Bild. Die Hauptursache dafür dürfte im nicht ganz steifen Plastiktubus des voll ausgefahrenen RX10-Objektivs liegen, das sich im vorderen Bereich sogar ein bisschen hin- und herbewegen lässt - ein Problem, das man auch an vielen günstigen DSLR-Zooms hat. Diese Stativ-unabhängige Verwacklung entwertet meiner Ansicht nach den Stativtest nicht, sondern erhöht den Praxisbezug: Ein superstabiles Stativ ist eben nur ein Teil des Aufnahmesystems; wenn das Kameragehäuse nicht verwindungssteif, das Stativgewinde ungünstig platziert oder die Objektivkonstruktion mit zu viel Spiel ausgestattet ist, hat dies ebenfalls Einfluss auf die Windempfindlichkeit. Man mag allenfalls einwenden, dass durch die Konzentration des Fön-Luftstroms auf die Kamera der Kamera-Anteil im Test besonders hoch ist.

Auf jeden Fall ist das rechte/zweite Bild der Maßstab für alle im Folgenden getesteten Leichtstative.

So tragisch, wie sie auf den ersten Blick aussieht, ist die Unschärfe übrigens nicht. Der Testaufbau ist ja eigens dazu gemacht, feinste Unterschiede zu zeigen, die in der Praxis nicht immer gleich auffallen würden. Bitte nicht vergessen: Wir sehen hier nur einen 0,1-MP-Ausschnitt aus einem 20-MP-Gesamtbild - und das bei einer KB-Äquivalent-Brennweite von 200 mm, die von vornherein wackelanfälliger ist als kürzere/normalere Brennweiten.

Bilora Tourism TT-1

Das Bilora Tourism TT-1 ist ein Reisestativ mit 5 Beinsegmenten und schnell bedienbaren Trunnion-Shaft-Drehverschlüssen, wie es sie ursprünglich nur in der Ultra-Reihe von Velbon gab. Weiterhin ist eine zweifach ausziehbare Mittelsäule vorhanden, die aber speziell am oberen Auszug keinen so stabilen Eindruck macht. Der mitgelieferte Kugelkopf hat eine eine Arca-kompatible Schnellklemme und lässt sich angenehm einstellen. Insgesamt liegt die Verarbeitungsqualität etwas unter dem Niveau der ansonsten vergleichbaren Velbon-Stative.

Die ersten Testbilder stammen vom voll ausgefahrenen Stativ, jedoch noch ohne ausgezogene Mittelsäule. Das ist die am häufigsten genutzte Standardstellung eines solchen Stativs. Die Höhe incl. Kopf beträgt hierbei 122 cm. Das Bildergebnis unter Fön ist noch lesbar, aber ein bisschen schlechter als vom Referenzstativ:

Nun das Stativ wieder voll ausgefahren, aber zusätzlich der untere (stabilere) Teil der Mittelsäule ausgezogen, was zu 139 cm Höhe führt. Das Ergebnis ist noch etwas schlechter als vorhin:

Und nun die Maximalhöhe des Stativs von 155 cm, indem auch noch der obere Teil der Mittelsäule ausgezogen wird. Erwartungsgemäß verschlechtert sich das Ergebnis weiter. Der Text ist jetzt unlesbar:

Wenn jeder weitere Auszug das Ergebnis verschlechtert, sollte eine Verringerung der Höhe durch Einschieben des jeweils untersten (dünnsten) Beinsegments das Ergebnis eigentlich verbessern. Als Höhe ohne die Mittelsäule und die untersten Beinsegmente bleiben in diesem Fall noch 103 cm übrig. Das Ergebnis ist jedoch nicht wirklich besser als bei Vollauszug ohne Mittelsäule (siehe oben); die Unschärfe-Charakteristik ist lediglich etwas anders:

Hama Traveller Pop-Up

Eine sehr eigenwillige Konstruktion ist das Hama Traveller Pop-Up: Seine Beine bestehen aus je 4 Beinsegmenten, die mit dicken Gummis im Inneren zusammengehalten werden. Löst man die Bindung, springen die Elemente mehr oder weniger von selbst in Position - also das Stativ baut sich selbst auf. Das Auseinanderziehen und Zusammenlegen der Beine braucht etwas Übung, geht dann aber ebenfalls sehr schnell. Mit unter 300 Gramm Gesamtgewicht ist das Pop-Up das Superleichtgewicht unter den hier gezeigten Leichtstativen, kommt aber trotzdem noch auf 112 cm (nicht variable) Arbeitshöhe. Der fest angebaute Kugelkopf ist grobschlächtig verarbeitet und verlangt viel Geduld, wenn man bei längerer Brennweite einen Bildauschnitt einstellen will; erschwerend hinzu kommt das insgesamt wackelige Verhalten der Beine.

Die Bildergebnisse sprechen für sich: Im Luftstrom des Föns zeigt das Pop-Up von allen hier getesteten Stativen das mit Abstand schlechteste Ergebnis. Selbst das Bild ohne Fön (links/erstes) ist hier einen Tick schlechter als mit den anderen Stativen; offenbar bot der 10-sekündige Selbstauslöser noch nicht genug Ausschwingzeit:

Velbon Ultra MAXi L

In puncto Aufbau und Bedienung ist das Velbon Ultra MAXi L dem oben gezeigten Bilora sehr ähnlich. Allerdings sind die Beinsegmente noch ein paar Millimeter dünner, die Mittelsäule ist nur einfach ausziehbar (dafür länger) und der mitgelieferte Kopf ist ein 3-Wege-Neiger aus Metall, aber mit Kunststoff-Wechselsystem. Die Bedienung der Beinverschlüsse geht ordentlich; dasselbe gilt für die Einstellbarkeit des Kopfes.

Die ersten Testbilder stammen auch hier wieder vom voll ausgefahrenen Stativ, jedoch ohne Benutzung der Mittelsäule - was im Fall des MAXi einer Höhe von 127 cm entspricht. Unter Luftstrom ist das Ergebnis etwas schlechter als beim Bilora, was man wohl auf die dünneren und längeren Beinteile zurückführen muss:

Dann dasselbe mit zusätzlich voll ausgefahrener Mittelsäule, wodurch eine Höhe von 152 cm zustande kommt. Die Verwacklung ist jetzt in etwa so stark wie beim Bilora nach Auszug beider Mittelsäulen-Teile:

Lässt man die Mittelsäule und zusätzlich die untersten (dünnsten) Beinsegmente eingefahren, verringert sich die Gesamthöhe auf 104 cm. Immerhin verbessert sich dadurch das Ergebnis ein bisschen:

Hama Star 100

Das Hama Star 100 ist ein Vertreter der absoluten Billigstative mit dünnen Beinen, genieteten Schnellverschlüssen und einem fest verklebten "Universalkopf" aus Plastik, der beim Einstellen des Bildausschnittes Geduld verlangt. Auch das geringe Gesamtgewicht verspricht nichts Gutes. Allerdings lässt sich das Star 100 nicht allzu hoch einstellen, so dass das dünne Beinmaterial keinen ganz so negativen Einfluss auf die Stabilität hat.

Mit voll ausgezogenen Beinen, aber ohne ausgefahrene Mittelsäule, kommt das Star 100 auf nur 90 cm Höhe. Das Ergebnis im Luftstrom ist trotzdem dürftig:

Zieht man zusätzlich die Mittelsäule aus, erreicht die Gesamthöhe 106 cm. Das ohnehin schon schlechte Ergebnis wird dabei noch schlimmer und ist jetzt nicht mehr weit von dem des Pop-Up entfernt:

Lässt man Mittelsäule und unterste Beinsegmente drin, verringert sich die Arbeitshöhe auf unkomfortable 72 cm. Trotzdem kann von einem Qualitätsgewinn nicht die Rede sein; nur die Charakteristik der Verwacklung wird anders:

Fazit

Es läuft auf ein Ergebnis hinaus, das man erwarten konnte: Je dicker die Beine sind, umso stabiler und weniger windanfällig ist das Stativ.

Von den hier gezeigten Leichtstativen schneidet das Bilora Tourism TT-1 am besten ab, gefolgt vom Velbon Ultra MAXi L. Perfekt sind beide nicht - aber auch nicht schlecht. Man sollte ja nicht übersehen, dass der obige Test schon heftige Aufnahmebedingungen simuliert. In der Praxis wird der Wind nicht oft so stark blasen wie der hier benutzte Fön - und man fotografiert auch nicht dauernd mit 200 mm KB-Brennweite und mehrsekündiger Belichtungszeit. Unter normaleren Bedingungen, also mit kürzeren Brennweiten und mäßigem Wind (und solange man die Mittelsäulen drin lässt), wird man mit beiden Stativmodellen tadellos scharfe Aufnahmen bekommen.

Die beiden Superleichten von Hama können mit dem Bilora und dem Velbon nicht ganz mithalten - was aber nicht ausschließt, dass selbst sie für weniger kritische Zwecke (z. B. Selfies mit kompakten Kameras und kurzen Brennweiten) noch gute Dienste leisten. Für Langzeitbelichtungen bei Wind sollte man sie natürlich nicht verwenden.

Und bitte nicht vergessen, dass es auf dieser Seite nur um einen einzigen Teilaspekt geht. Es gibt noch weitere Kaufkriterien, die so ein windiger Test nicht mit abdeckt, z. B. Handhabung, Einstellpräzision, Langlebigkeit, Maximal-/Minimalhöhe und viele mehr. Zu beachten ist ferner, dass die vier hier gezeigten Leichtstative nur einen winzigen Ausschnitt des Stativmarktes zeigen. Die Hersteller bieten ein breit abgestuftes Sortiment; es gibt noch eine Menge andere Kompromisse zwischen den Extremen. Je nach persönlichen Anforderungen findet man also noch passendere Modelle.
Am besten probiert man die in Frage kommenden Stativmodelle selber aus. Ein Bedienkonzept, mit dem man besser zurecht kommt, ist oft mehr wert als eine messtechnisch geringere Schwingungsanfälligkeit.

Man muss es zum Schluss vielleicht nochmal betonen: Keines der hier getesteten Leichtgewichte kann ein großes, hochwertiges Stativ ersetzen. Das gilt tendenziell sogar für hochwertige Reisestative, die um ein Mehrfaches teurer sein können als die hier Verglichenen. Die Leichtstative sind Behelfslösungen für Situationen, wo man sich zwischen "leichtes Stativ" und "gar kein Stativ" entscheiden muss - und die Einschränkungen bewusst in Kauf nimmt.

Autor: Andreas Beitinger
Letzte Änderung: Februar 2015
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