Praxisvergleich Nikon D70 gegen D200
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Rauschen bei ISO1600
Ich gehöre ja selbst zu den Leuten, die sich darüber lustig machen, wenn in irgendeinem Forum mal wieder 100-%-Crops neuer Kameras auftauchen, die deren gutes oder weniger gutes Rauschverhalten zeigen sollen. Wenn man früher analog auf Negativfilm mit ISO800 oder ISO1600 fotografiert hat, empfindet man das Rauschverhalten sämtlicher DSLRs als ganz hervorragend und versteht nicht, warum noch an irgendwelchen Kleinigkeiten herumkritisiert wird.
Trotzdem möchte ich ein paar Aspekte des Rauschverhaltens der hier verglichenen Kameras aufgreifen, die ich in der Praxis bemerkt habe. Ob das Rauschen stört oder nicht, hängt ja von einigen Faktoren ab - allen voran das Ausgabeformat. Nach meiner Erfahrung ist z. B. im Format 10 x 15 cm jedes ISO-1600-Bild aus einer DSLR brauchbar.
Um den Umfang des Tests nicht noch weiter aufzublasen, beschränke ich mich auf ISO1600. Daß niedrigere Werte eher besser aussehen, versteht sich von selbst. Und daß ISO3200 (also HI1 an der D200) eher eine Nothilfe für begrenzte Einsatzzwecke ist, ist auch klar. Wieviel ISO man zur Not aus einer D70 rausholen kann, hatte ich hier schon einmal ausprobiert.
Die Erhöhung der Pixelzahl ist in Bezug aufs Rauschen - zumindest theoretisch - ein Nachteil, da der höher auflösende Chip etwas kleinere Pixel hat. Dafür gehen die Hersteller dazu über, bereits innerhalb der Kamera eine Rauschunterdrückung durchzuführen.
Die D70 gehört noch zu einer Kamerageneration, die Bilder komplett ohne Entrauschung ausgibt. Die D200 (wie auch die D80) haben kameraseitig eine Rauschreduzierung für JPEGs integriert, die sogar in mehreren Stufen regelbar ist. Gar nicht so leicht, zu entscheiden, womit man rauschtechnisch am besten fährt.
Die 100-%-Wiedergabe am Bildschirm ist für die Beurteilung des Rauschens einerseits sinnvoll (weil sie alle Fehler aufdeckt) und andererseits irreführend (weil sie nicht viel mit der tatsächlichen Verwendung des Bildes zu tun hat). Außerdem behandelt sie Kameras unterschiedlicher Auflösungen ungerecht: Jeder Pixel einer 10-MP-Kamera muß für dasselbe Ausgabeformat weniger stark vergrößert werden als ein Pixel einer 6-MP-Kamera. Eine 10-MP-Kamera darf in 100 % etwas mehr rauschen als eine 6-MP-Kamera, ohne daß deswegen das Bild insgesamt mehr gestört wäre.
Mein Testbild, aus dem ich die jeweils 4 vergleichenden Ausschnitte entnommen habe, ist dieses hier (zunächst als Referenz mit ISO100 aufgenommen):
Mit Ausnahme der menschlich bedingten Abweichungen habe ich dasselbe Motiv mit beiden Kameras und verschiedenen Einstellungen immer wieder reproduziert. Der Weißabgleich wurde an beiden Kameras manuell durchgeführt.
Bleibt noch die Frage, wie man das Rauschen verschieden auflösender Kameras am Bildschirm vergleichen soll. Mein Vorschlag: Ich rechne das Bild der höher auflösenden Kamera auf die Auflösung der niedriger auflösenden Kamera herunter. Dann kann man feststellen, ob man sich durch die höhere Auflösung Nachteile einfängt, oder ob man bei gleicher Auflösung zumindest gleichwertige Bildqualität erhält. Mir ging es in diesem ersten Test darum, was man bestenfalls mit ISO1600 rausholen kann. Die hierfür verwendeten Bilder basieren auf dem RAW-Format, das mit Nikon Capture konvertiert wurde. Soweit Rauschunterdrückung zum Einsatz kommt, habe ich die "Hohe Qualität" gewählt. Die Abstufung der Rauschunterdrückung kann man in Nikon Capture stufenlos von 0 bis 100 regeln; ich habe der Einfachheit halber die Stufen verwendet, die mit Einstellungen der D200 vorgegeben werden (gering = 15, normal = 27, stark = 40), und habe dasselbe Maß auch auf das Bild aus der D70 angewendet.
Referenzbild D200 ISO100 |
D70 ohne Rauschunterdrückung: |
D70 Rauschunterdrückung 27 % |
D200 ohne Rauschunterdrückung |
D200 Rauschunterdrückung 27 % |
Einen Sieger zu küren, ist nahezu unmöglich. Das Rauschmuster der D70-Bilder und der auf 6 MP reduzierten D200-Bilder unterscheidet sich zwar (bei der D200 ist es feiner), aber die störende Wirkung ist sehr ähnlich. Bei beiden Kameras bringt die Rauschunterdrückung von Nikon Capture eine sichbare Minderung des Rauschens mit geringem Verlust von Details (z. B. die Haare auf dem Arm, die in den nicht entrauschten Bildern zumindest noch zu erahnen sind). Hier gilt es, im Bedarfsfall das richtige Maß zu finden - wobei die von Nikon als "Normal" vorgegebenen 27 % schon ganz okay sind. Übertreibt man die Rauschunterdrückung (insbesondere mit der Option "Kanten-Rauschunterdrückung"), kommt es zum Verlust weiterer Details, zum unerwünschten Glätten strukturierter Flächen und schlimmstenfalls zum berüchtigten "Aquarellfilter-Effekt", also einer unnatürlichen Stilisierung des Bildes.
Um die 100-%-Crops hier nicht als "absolute Wahrheit" stehen zu lassen, möchte ich nun einen Vergleich derselben Bilder in einer typischen Web-Auflösung von 600 Pixel Breite zeigen. Auf meinem 19"-TFT sind diese Bilder bereits größer als eine Postkarte:
D70 ohne Rauschunterdrückung |
D70 Rauschunterdrückung 27 % |
D200 ohne Rauschunterdrückung |
D200 Rauschunterdrückung 27 % |
Die Unterschiede zwischen entrauschtem und nicht entrauschtem Bild werden in dieser Größe erwartungsgemäß sehr gering. Selbst im Vergleich mit dem ISO100-Referenzbild weiter oben auf dieser Seite sieht man die Nachteile erst auf den zweiten Blick.
Schaut man ganz genau auf den abgenutzten Parkettboden oder die Textiltapete über dem Fernseher, könnte man sogar behaupten, die nicht entrauschten Bilder zeigten etwas mehr Details und seien damit die bessere Variante.
Ähnliches habe ich auch beim Betrachten kleiner Papierbilder festgestellt, aber leider kann man diesen Eindruck hier im Internet nicht vorführen. Wer es mir nicht glaubt, soll selber einige rauschige Testbilder bei einem guten Belichtungsdienst zu Papier bringen lassen und diese selber begutachten. Auf Papier sieht alles bei weitem nicht mehr so tragisch aus wie in der 100-Prozent-Ansicht. Die pixelweise Bildschirmdarstellung ist zwar nützlich, um gezielt Bildfehler aufzuspüren, aber sie vermittelt überhaupt keinen realistischen Eindruck von der subjektiv empfundenen Qualität eines Abzugs begrenzter Größe. (Sogar große Formate sehen auf Papier oft besser aus als in entsprechender Vergößerung am Bildschirm, weil man sie dann als Ganzes aus gewisser Entfernung anschaut, während man sich am Bildschirm nur auf den angezeigten Ausschnitt konzentriert.)
Wie stark man die Entrauschung einsetzt, sollte vom Ausgabeformat abhängen. Richtig sinnvoll wird die Entrauschung erst bei größeren Formaten. Vergessen wir nicht, daß die 100-%-Darstellung eines 6-MP-Bildes auf einem 19"-TFT einer Vergrößerung des Gesamtbildes auf 87 x 58 cm Größe entspricht, das man als Ganzes nicht aus so kurzer Distanz anschauen würde. Die 100-Prozent-Ansicht verführt dazu, Fotos viel stärker zu entrauschen, als dies notwendig und sinnvoll ist. Bei kleineren Formaten wird das Korn kleiner und weniger auffällig, wenn es nicht sogar in der beschränkten Belichter-Auflösung untergeht. Also läßt man lieber zugunsten der Detailauflösung etwas mehr sichtbares Rauschen übrig, was unterm Strich eine bessere Bildqualität ergibt.
In den obigen Beispielen habe ich in Nikon Capture die Rauschunterdrückung in den Modus "Hohe Qualität" geschaltet. Dies verlangt dem Benutzer aber sehr viel Geduld ab; die "Schnell" Variante braucht nur einen Bruchteil der Zeit. Noch viel schneller geht es, wenn man direkt in der Kamera JPEGs entrauschen läßt. Daher will ich hier die verschieden schnellen Ausgabe- und Entrauschungsfunktionen gegenüberstellen - diesmal zur Verdeutlichung in voller 10-MP-Auflösung der D200:
JPEG direkt aus Kamera, Rauschunterdrückung "normal" |
RAW in Nikon Capture, Rauschunterdrückung 27 % "Schnell" |
RAW in Nikon Capture, Rauschunterdrückung 27 % "Hohe Qualität" |
Erwartungsgemäß fällt die nachträgliche Rauschunterdrückung in Nikon Capture hochwertiger aus als die kamera-interne Rauschunterdrückung. Während die Rauschunterdrückung in der Kamera noch relativ starke Artefakte produziert und das Farbrauschen nur unzureichend bekämpft, liefert Nikon Capture bereits in der "Schnell" Variante ein feineres Muster. Die Variante "Hohe Qualität" beseitigt auch noch letzte Farbschlieren und läßt lediglich feines Helligkeitsrauschen zurück, das in der Praxis viel weniger auffällt als das Korn eines ISO400-Negativfilms.
Wenn sehr große (Poster-)Formate geplant sind, lohnt sich die "Hohe Qualität". Für kleinere Abzüge und Web-Präsentation, soweit dafür überhaupt eine Entrauschung nötig ist, kommt man gut mit der "Schnell" Methode oder den in der Kamera entrauschten JPEGs aus. Die Berechnung der Bilder mit "Hohe Qualität" dauert einfach zu lang, um sie bei der Einzelverarbeitung mehrerer Bilder zu verwenden. (Denkbar wäre allenfalls eine Stapelverarbeitung, z. B. über Nacht.)
Daß es neben Nikon Capture noch andere RAW-Konverter mit Rauschunterdrückung sowie externe Entrauschprogramme (und somit unzählige mögliche Workflows) gibt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hier in diesem Test beschränke ich mich auf die Originalsoftware von Nikon.
Nachträgliche Anmerkung (Mai 2008): Einen Test mit verschiedenen RAW-Konvertern habe ich inzwischen hier nachgeholt. Es zeigten sich tatsächlich große Qualitätsunterschiede, und Nikon Capture erwies sich nicht als das Optimum.
Da es häufig um Alltagsfotos geht, mit deren RAW-Ausarbeitung man sich nicht lange aufhalten will, finde ich auch interessant, was man direkt aus der Kamera an Qualität erzielen kann. Die Arbeit mit Kamera-JPEGs ist sehr flott und angenehm. Der Qualitätsgewinn, den eine einzelne RAW-Konvertierung und -Optimierung bringen könnte, steht oft in keinem Verhältnis zum höheren Verarbeitungsaufwand.
Die geringste Bildgröße aus der D200 ("S" mit 1936 x 1296 Pixel) bietet genug Qualität für Abzüge bis 13 x 19 cm. (Verkleinerte Ausgabe ist übrigens auch ein netter Trick, wenn man einem Pixelzähler in der 100-%-Darstellung zeigen will, wie rauscharm die Bilder direkt aus der Kamera kommen.)
Bei dieser Größe entspricht die Monitordarstellung auf dem 19"-TFT einer Ausgabegröße von immer noch 48 x 32 cm. Daß von dem hier noch sichtbaren Rauschen im Format 10 x 15 oder 13 x 19 cm nicht viel übrig bleibt, liegt auf der Hand.
Referenz (ISO100 RAW) |
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JPEG Rauschunterdrückung "Aus" |
JPEG Rauschunterdrückung "Schwach" |
JPEG Rauschunterdrückung "Normal" |
JPEG Rauschunterdrückung "Stark" |
Richtig übel sieht in dieser Skalierung keines der JPEGs mehr aus, obwohl der Unterschied zur ISO100-Referenz sichtbar bleibt. Mein Vorschlag für allgemeine Anwendungen wäre die Rauschunterdrückung "Normal", also Werkseinstellung. Hier wird das Rauschen etwas gedämpft, aber es findet noch kein Glattbügeln statt wie bei Einstellung "Stark". (Anmerkung: Bei ISO1600 läßt sich die Rauschunterdrückung in der Kamera nicht ganz abschalten. Auch in Stellung "Aus" findet bereits eine leichte Bearbeitung statt. Das "nackte" Kamerarauschen sieht man nur im RAW-Format.)
Diese S-JPEGs sind mit ihren 1936 x 1296 Pixeln sehr handlich und stehen ohne umständliche Konvertierung sofort zur Verfügung. Anspruchsvolle Benutzer hochauflösender Kameras werden sicher nicht ausschließlich JPEGs der Größe S oder M speichern wollen, aber als Ergänzung zum RAW-Format (also in Einstellung RAW+JPEG) kann eine solche Einstellung sehr sinnvoll sein.Wenn man ein RAW als Qualitätsreserve hat, wird man keine zusätzlichen JPEGs in voller Kameraauflösung benötigen, da man für Poster und Ausschnittsvergrößerungen dann ohnehin aufs RAW zurückgreift.
Noch ein Wort zu den möglichen RAW-Workflows und deren Auswirkung aufs Rauschverhalten: Wenn man schon mit ein und derselben Kamera viele unterschiedliche Qualitäten erzielen kann, fällt es umso schwerer, Kameras verschiedener Hersteller fair miteinander zu vergleichen. Wenn eine Kamera z. B. standardmäßig bei ISO1600 eine flachere Gradationskurve verwendet und/oder bereits in Werkseinstellung eine gewisse Rauschunterdrückung zuschaltet, wirkt das Ergebnis im Direktvergleich vielleicht rauschärmer und mag den unerfahrenen Betrachter täuschen. Allerdings kann es auch passieren, daß je nach fotografiertem Motiv einmal Kamera A, bei anderer Gelegenheit jedoch Kamera B besser abschneidet. Das kommt daher, daß das Rauschverhalten je nach Motivhelligkeit und -farbe unterschiedlich ausfallen kann. Auch die Weißabgleichs-Einstellung kann Einfluß auf die Menge des Rauschens haben; je extremer das Lichtspektrum ist, das der Weißabgleich neutralisieren muß, umso weniger Qualitätsreserven bietet der Bioldwandler, und umso stärker kann das Rauschen ausfallen. In den obigen Beispielen (die übrigens unter einem nicht ganz einfach zu neutralisierenden Energiesparlampen-Licht gemacht wurden) sieht man das sehr schön: Wenn ich der D70/D200 ein schlechtes Rauschverhalten nachweisen will, wähle ich ein Motiv mit vielen dunkleren Stellen, so wie den Fernseher. Da tritt das Rauschen mit diesen Kameras am stärksten auf. Möchte ich hingegen die getesteten Kameras besser dastehen lassen, wähle ich ein Testmotiv mit überwiegend hellen Stellen wie die Blumen oder den Teppich. Man muß sich nicht wundern, daß verschiedene Fachzeitschriften (und erst recht Anwender) zu sehr unterschiedlichen Schlüssen kommen, wie schlimm oder harmlos das Rauschen eines bestimmten Kameramodells ist, und welche Kamera nun das geringste Rauschen produziert.
Was von rein zahlenmäßigen Rauschvergleichen zu halten ist, die weder das Aussehen der Kornstruktur noch den Verlust von Details durch Rauschunterdrückung werten, bedarf keines weiteren Kommentars.
Fazit: Das Rauschverhalten bei ISO1600 ist zwischen D70 und D200 vergleichbar. Die D200 bietet den Vorteil, JPEGs mit Hilfe ihrer integrierten Rauschunterdrückung in etwas besserer Qualität ausgeben zu können. Für bestmögliche Ergebnisse empfiehlt sich jedoch an beiden Kameras der Weg über das RAW-Format und die softwaremäßige Entrauschung.
Die 100-Prozent-Darstellung am Bildschirm eignet sich für den detaillierten Vergleich, zeichnet aber kein realistisches Bild der zu erwartenden Bildqualität auf ausbelichteten Fotos. In der Praxis ist die ISO1600-Qualität auf kleineren Bildformaten sehr gut und nur im direkten Detailvergleich von ISO100/200 zu unterscheiden. Bei Papierformaten ab ca. 20 x 30 cm kann das Rauschen sichtbar werden; dann hängt die erzielbare Qualität vom optimalen RAW-Workflow ab.