Praxisvergleich Nikon D70 gegen D200
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Dynamik (Kontrastumfang)
Seit der Wettbewerb um die größtmöglichen Pixelzahlen langsamer wird, häufen sich in den Foren die Diskussionen zum Thema Dynamik. Es geht um die Fähigkeit von Kameras, einen möglichst großen Helligkeitsumfang aufzeichnen zu können. Interessant ist das v. a. im Gegenlicht oder bei Motiven mit sehr hellen und sehr dunklen Stellen, die beide noch Zeichnung haben sollen (z. B. schwarze Katze im Schnee). Außerdem bietet eine große Dynamik auch Belichtungsreserven. Allerdings erfordert nicht jedes Bild viel Dynamik; wenn der Tonwertumfang des Motivs gering ist, sieht es mit steilerer Tonwertkurve und somit verringerter Dynamik sogar besser aus. (Hoher Kontrast bedeutet einen geringen Kontrastumfang, ein hoher Kontrastumfang bedeutet einen niedrigen Bildkontrast - spezielle Verrechnungsmethoden wie DRI mal ausgenommen.) Da man die Dynamik bei Bedarf jederzeit reduzieren kann (Tonwertspreizung bei der RAW-Konvertierung oder nachträglich), man aber fehlende Zeichnung in Lichtern und Schatten nicht mehr hervorzaubern kann, sind Kameras mit viel Eingangsdynamik generell vorzuziehen.
Es wurde schon viel darüber diskutiert, wie gut oder schlecht die Dynamik einer DSLR im Gegensatz zu Negativ- oder Diafilm ist. Die meisten ordnen die Dynamik einer Digitalen irgendwo zwischen Negativ und Dia ein, andere finden sogar Diafilme einer DSLR überlegen.
Ich habe mich gefragt, welche Dynamik wohl die beiden Testkameras D70 und D200 speichern können - und wieviel davon in normalen Bildern genutzt wird. Man muß unterscheiden zwischen der Dynamik, die in einem Kamera-JPEG oder einem standardmäßig konvertierten RAW zur Anwendung kommt, und der Gesamtdynamik, die ein RAW-File enthalten kann, und die erst durch spezielle Nachbearbeitung nutzbar gemacht wird.
Als Testaufbau habe ich mir aus ND-Filterfolien einen mehrlagigen Durchsichts-Graukeil gebastelt. Zusammen mit einer gleichmäßigen Hintergrundbeleuchtung (Leuchtkasten mit Tageslicht-Leuchtstoffröhren) ergibt sich somit ein Stufenmuster, bei dem jede Stufe der Stärke der ND-Folie (in meinem Fall 1/2 Blendenstufe) entspricht. Einfacher erklärt: Jede Stufe der Testbilder entspricht einem Unterschied von 1/2 Blende; 2 Felder sind jeweils 1 Blendenstufe. Man kann nun beurteilen, welche Felder sich gerade noch unterscheiden lassen, und wo das "Einheitsschwarz" bzw. "Einheitsweiß" beginnt.
Ich habe mit jeder Kamera ein RAW-File erstellt. Die Belichtung habe ich durch Ausprobieren so eingepegelt, daß weder im dunklen noch im hellen Bereich die Grenze des Graukeils erreicht wird; so ist es möglich, die gesamte Dynamik der Kameras zu erfassen. Die Belichtung der Kameras erfolgte bei gleicher Blende und gleichem Objektiv mit äquivalenten Werten (1/8 Sekunde bei ISO100 der D200, 1/15 Sekunde bei ISO200 der D70). Der Weißabgleich wurde jeweils manuell aufs Licht des Leuchtkastens durchgeführt. Das RAW-File habe ich jeweils dreimal in Nikon Capture konvertiert: mit Grundeinstellung, mit -2 Belichtungskorrektur (um die Reserven in den Lichtern zu sehen) und mit +2 Belichtungskorrektur und zusätzlicher Helligkeitsanhebung (um die letzten Unterscheidungen in den Schatten sichtbar zu machen). Mit der D200 habe ich sowohl komprimiertes als auch unkomprimiertes RAW ausprobiert, aber die Ergebnisse waren dieselben.
D200 (ISO 100)
D70 (ISO 200)
Auswertung: Wenn ich die mittleren Versionen (unkorrigierte Ausgabe) auf meinem kalibrierten Monitor ohne Tricks und Verrenkungen betrachte, zähle ich sowohl an der D200 als auch an der D70 jeweils 12 Felder, also 6 Lichtwerte. Interessant ist, daß die Dynamik der D200 gegenüber der D70 um 1/2 Blende (1 Streifen) zugunsten der Lichter verschoben ist; die D70 hat entsprechend 1 Streifen mehr in den Schatten. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen aus dem allgemeinen Qualitätsvergleich.
Gleichzeitig wird auch klar, warum eine zahlenmäßige Angabe der Dynamik so schwierig ist: Während das Überstrahlen der Lichter sehr genau zuzuordnen ist, gehen die Streifen auf der dunklen Seite ganz allmählich im schwarzen Rauschen unter, und man kann je nach Genauigkeit der Monitor-Einstellung noch weitere Details erkennen oder nicht. Es ist sehr schwer, hier einen Standard dafür festzulegen, ab welchem Unterschied man ein weiteres Feld noch "gelten läßt". Würde man schräg von der Seite auf den TFT schauen (was aber nicht im Sinne der Monitorkalibrierung ist), sähe man im "Schwarz" immer noch einige Streifen mehr als bei senkrechter Aufsicht.
Bezieht man die aufgehellten und abgedunkelten Versionen mit in die Zählung ein, bekommt man eine Vorstellung, wie groß die Dynamik-Reserven des RAW-Formates sind. Durch optimierte RAW-Konvertierung, D-Lighting (Nikon Capture) oder DRI mit drei RAW-Varianten könnte man diese Reserven bildwirksam nutzen. Tatsächlich zeigt die D200 hier in den Lichtern noch 1 Blendenstufe Reserve, die D70 sogar 1,5 Blendenstufen. Im RAW-Format verliert also die D200 ihren Lichter-Dynamik-Vorsprung gegenüber der D70; das belegt auch meine These, daß die unterschiedliche Lichterdynamik der beiden Kameras lediglich in der internen Bildverarbeitung zu suchen ist - nicht in den Fähigkeiten des Sensors.
Größere Unterschiede gibt es hingegen auf der Schattenseite. In der aufgehellten Version zeigt die D200 weniger Rauschen in dunklen Bereichen; dies führt dazu, daß auch noch mehr Streifen unterscheidbar sind, während bei der D70 schon früher das Rauschen die Grenzen der Felder verwischt. Ob das nun an den Fortschritten der Sensortechnologie liegt oder einfach an der geringeren Empfindlichkeit (ISO100 gegenüber ISO200), kann ich nicht sagen. Jedenfalls kann ich im RAW-File der D200 insgesamt 11 Blendenstufen unterscheiden, bei der D70 nur 10 Blendenstufen.
Wirklich präzise festlegbar ist diese Zählung wegen des langsamen Übergangs ins Rauschen leider nicht; bei der D200 habe ich außerdem das Gefühl, daß man zwar am Schattenende noch ein paar Trennstege zwischen Feldern erkennt (vielleicht nur Lichtreflektion an den Folienkanten), daß aber die Helligkeit der Felder selber bereits gleich bleibt. Ich habe mich bemüht, nur Felder zu zählen, deren Helligkeit noch Unterschiede aufweist. Wer mag, kann selber nachzählen.
Wieviel von der so gemessenen Dynamik in der Praxis nutzbar ist, ist sowieso eine andere Frage. Wer mehr Dynamik in den Lichtern braucht, muß entsprechend knapper belichten und dann in der RAW-Konvertierung die Mitten und/oder Schatten entsprechend aufhellen. Um die Dynamikreserven in den Schatten zu nutzen, muß man aber dort ein vermehrtes Rauschen in Kauf nehmen.
Einen ähnlichen Test habe ich auch mit einem Diafilm (Fuji Sensia 100) durchgeführt. Um das Ergebnis nicht durch einen unzureichenden Scanner zu beeinflussen, habe ich mir das Scannen gleich gespart und direkt vor starker Lichtquelle mit einer guten Lupe die Streifen am Film ausgezählt. Es ergab sich eine Dynamik von ca. 7 Blendenstufen. Die Gewichtung war dabei jedoch anders als bei den Digitalkameras: Im Bereich der Lichter zeigte der Diafilm mehr Spielraum, erreichte dafür aber im Schattenbereich recht bald sein tiefstes Schwarz. Der benutzte Sensia 100 ist nicht repräsentativ; es mag Diafilme mit mehr oder auch weniger Dynamik geben (z. B. farbstarke Filme mit steiler Gradation und entsprechend geringer Dynamik, oder eher flaue Portrait-Filme mit größerer Dynamik). Ich wollte einfach einen Durchschnitts-Diafilm probieren, um überhaupt eine Größenordnung zu sehen.
Im Vergleich zum Dia hat ein standarmäßig konvertiertes Bild aus der D70 oder D200 also etwas weniger Dynamik. Allerdings stecken im RAW-File noch Reserven, die deutlich über die Fähigkeiten des Diafilms hinausgehen, und die sich bei Bedarf fürs Bild nutzen lassen.
Das Ergebnis des Dia-Tests erklärt, warum frühere Diafotografen beim Umstieg auf eine Digitalkamera oft über mangelnde Dynamik klagen: Der Diafilm kann bei gleicher Belichtung tatsächlich hellere Lichter verarbeiten als eine DSLR in Grundeinstellung. Wer mit der Digitalkamera so weiterarbeitet, wie er es vom Diafilm gewohnt war, bekommt öfter ausgefressene Lichter.
In Wirklichkeit hat die DSLR mehr Reserven, aber eben nach unten. Man kann durch knappere Belichtung und spätere Korrektur das Verhältnis verschieben und somit auch mehr Lichter-Dynamik nutzbar machen. Damit kann man deutlich über die Dynamik-Fähigkeiten eines Diafilms hinausgehen - aber das muß man erst mal wissen.