Die ganze Wahrheit über ein leidiges Thema
Seit es digitale Kameras gibt, geistert der Begriff des "Crop-Faktors" oder "Formatfaktors" (anfangs gar "Brennweiten-Verlängerungsfaktor" genannt) durch die Fotowelt. In dem Zusammenhang ist auch von einem "Kleinbild-Äquivalent" (englisch "35 mm Equivalent") die Rede.
Leider hat sich dieser Crop-Faktor, so gut er anfangs gemeint war, zu einem häufigen Ärgernis entwickelt. In fast jedem Foto-Forum tauchen noch täglich Fragen dazu auf. Für Neueinsteiger ist das Thema eine Hürde, sobald sie neue Objektive kaufen oder vergleichen. Wie muss ich umrechnen? Muss ich überhaupt umrechnen? Warum schreiben die Hersteller nicht gleich die "richtige" Brennweite aufs Objektiv drauf?
Während die Anwender noch rätseln, machen sich Kamerahersteller die Verwirrung zunutze und streuen in ihrer Werbung gezielte Fehlinformationen - indem sie Äquivalent-Brennweiten als echte Brennweiten ausgeben und dann mit der angeblich hohen Lichtstärke werben. Wer das glaubt, wird falsche Vergleiche mit anderen Kameraklassen anstellen und könnte deswegen einen Fehlkauf tätigen. Es kann also nicht schaden, dem Thema Crop-Faktor und Kleinbild-Äquivalent nochmal gründlich nachzuspüren und auf bestehende Probleme hinzuweisen.
Der vorliegende Artikel wurde mit Sorgfalt geschrieben und bereits mehrfach überarbeitet. Rückfragen haben jedoch gezeigt, dass man das Thema wohl nie hundertprozentig und für jedermann sofort verständlich präsentieren kann. Es wird immer Textpassagen geben, die noch nicht perfekt eindeutig formuliert sind. Und es gibt immer Teile des Textes, die man aus dem Zusammenhang reißen und dann falsch verstehen kann. Von daher möchte ich meine Leser gleich um etwas Geduld im Umgang mit dem folgenden Artikel bitten. Wenn etwas nicht auf Anhieb verständlich ist, geben Sie bitte nicht gleich auf, sondern lesen Sie weiter - oder lesen Sie den unklaren Abschnitt einfach nochmal. Für konstruktive Hinweise, was am Text eventuell noch unverständlich ist bzw. wo man Sachverhalte noch klarer herausarbeiten könne, bin ich immer offen.
Das ganze Unheil hat seinen Ursprung in einer Zeit lange vor Einführung der Digitalfotografie. Kern des Übels ist die Verwendung von Brennweiten als Maß für den Bildwinkel. Der Cropfaktor war lediglich die logische Folge davon.
In der Geschichte der Analogfotografie gab es zwar allerhand Filmformate mit verschieden großen Negativen bzw. Dias, aber die meisten erreichten jeweils nur begrenzte Marktanteile. Dafür stach ein einzelnes Filmformat heraus, dessen Verbreitung im Lauf der Zeit alle Anderen übertraf: das sogenannte Kleinbildformat, das ein Bildfenster von 24 x 36 mm Größe hatte.
Die Bezeichnung "Kleinbild" wirkt vielleicht unverständlich, da es aus heutiger Sicht recht groß ist. Es entstand aber schon in einer Zeit, als noch überwiegend große Plattenkameras
und Mittelformatkameras in Gebrauch waren – die heute eher zu den Exoten
zählen.
In der Fachpresse und von manchen Kameraherstellern wird das KB-Format auch gern als "Vollformat"
(engl. "Full Frame") bezeichnet. Über die Sinnhaftigkeit dieses Begriffes
kann man streiten, aber er hat sich nun leider etabliert.
Ich setze den Begriff daher, wenn ich ihn verwenden muss, in
Anführungszeichen.
International ist noch die Bezeichnung "35 mm" gebräuchlich. Das ist abgeleitet von der
Gesamtbreite des Filmstreifens – den es in einer Digitalkamera natürlich so nicht mehr gibt.
Der weltweit verbreitete Kleinbild-Standard führte dazu, dass sich Fotografen an die Winkel bestimmter Brennweiten gewöhnten. Solange die Kameras mit Kleinbild-Film arbeiteten, konnte man Brennweiten über Herstellergrenzen und Kameraarten hinweg vergleichen. Daher kam niemand mehr auf die Idee, eine Norm für den eigentlichen Bildwinkel aufzustellen. Man hätte z. B. eine Grad-Angabe etablieren können oder einen Bildwinkelfaktor. Doch das erschien damals als unnötig, weil ohnehin alle Amateurkameras und ein Großteil der Profikameras dieselbe Bildfenstergröße hatten und man zum Vergleich genauso gut die Brennweiten verwenden konnte.
Und dann kam die Digitalfotografie. Wenn die Hersteller gekonnt hätten, hätten sie wohl von Anfang an Sensoren in Kleinbild-Größe gebaut, um nahtlos an ihre vorhandenen Spiegelreflex-Systeme anzuschließen. Aber die Herstellung von Sensoren dieser Größe erwies sich anfangs als sehr aufwendig und teuer. Gleichzeitig zeichnete sich ab, dass man mit digitaler Technik eine höhere Informationsdichte als mit Filmemulsion bekommt und daher auch mit geringeren Sensorflächen arbeiten kann. So drängte eine Menge Digitalkameras mit kleinen Sensoren auf den Markt. Statt mit Filmfenstergrößen rechnete man jetzt also mit Sensorgrößen, aber die optischen Gesetze blieben dieselben.
Das Problem dabei: Dieselbe Brennweite produziert an einem kleineren Sensor einen engeren Bildwinkel. Ein Objektiv, das am KB-Format noch ein Weitwinkel war, ist am kleineren Sensor plötzlich eine Normalbrennweite oder sogar ein Tele. Umgekehrt, um am kleineren Sensor denselben Bildwinkel zu bekommen, muss man eine kürzere Brennweite verwenden. Langjährige Kleinbildfotografen waren erst mal verwirrt.
Da besannen sich Hersteller und Fachpresse auf ein Hilfsverfahren, das man vorher schon für Videokameras verwendet hatte: Man rechnet die Brennweite einfach auf das gewohnte Maß um. Man sagte dem Fotografen: Wenn Du dieses digitale Kameragehäuse verwendest, multipliziere alle Deine Objektiv-Brennweiten mit einem "Verlängerungsfaktor"! Später einigte man sich auf die weniger irreführende Bezeichnung "Crop-Faktor" - in Anspielung darauf, dass die Sensoren der neuen Kameras nur einen Ausschnitt (engl. "Crop") aus dem KB-Format abdeckten. Der Begriff "Formatfaktor" wäre noch neutraler gewesen, setzte sich aber leider nicht durch.
Solange die digitale Fotografie eine Sache weniger Technikfreaks war, funktionierte die Behelfs-Umrechnung auf KB-Brennweiten noch gut. Doch als auch immer mehr Laien auf Digitalkameras umstiegen, wurde die Definition der Umrechnung immer schlampiger gehandhabt und teilweise falsch wiedergegeben. Aus der Erklärung "Die Brennweite verhält sich wie..." wurde plötzlich "Die Brennweite wird zu...". Ein scheinbar kleiner Unterschied - aber er löst bis heute falsche Vorstellungen aus. Eine Äquivalent-Brennweite hat zwar denselben Bildwinkel (und der ist natürlich sehr wichtig), aber in Bezug auf Schärfentiefe und andere Faktoren weicht ihr Verhalten durchaus ab. Mehr dazu weiter unten.
Die Zeit blieb nicht stehen. Der Siegszug der Digitalkameras liegt
nun schon über zwanzig Jahre zurück. Inzwischen haben wir auch eine ganz neue Generation von Fotografen, die
nie mit einer analogen Kleinbild-Kamera gearbeitet haben und daher auch
nicht mehr mit "Kleinbild-Brennweiten" sozialisiert wurden. Sie
verstehen erst mal nicht, warum von den unzähligen Sensorgrößen nun
ausgerechnet diese Eine zum Standard ernannt wurde. Das ursprüngliche Argument, "alle Fotografen" könnten sich unter Kleinbild-Brennweiten
sofort etwas vorstellen, trifft auf die neue Generation nicht mehr zu.
Allerdings ist es heute zu spät, noch ein neutrales Maß für den Bildwinkel einzuführen. Die Umrechnung auf Kleinbild-Brennweiten
ist schon zu etabliert. Eine Abkehr davon würde die Verwirrung nur noch größer
machen und sich wahrscheinlich auch nicht mehr durchsetzen.
Also müssen wir, um Kameras und Objektive über Sensorgrößen hinweg vergleichen zu können, weiterhin mit dieser unglücklichen Behelfslösung namens "Kleinbild-Äquivalent" leben. Jeder Benutzer einer Kamera, deren Sensor nicht exakt die Größe des KB-Formates hat, kommt mit dem Thema in Berührung - bewusst oder unbewusst.
Ihr Kauf bei Amazon über die Angebote oder diesen Link unterstützt die Seite fotovideotec.de.
An Kameras verwendet man verschiedene Bildwinkel, um vom gleichen
Standort aus unterschiedlich viel ins Bild zu kriegen: Einen sehr großen Bildwinkel bezeichnet man als Weitwinkel. Einen sehr engen Bildwinkel bezeichnet man als Tele (umgangssprachlich "man holt ein Motiv näher heran"). Irgendwo dazwischen liegt
der "normale" Bildwinkel, der in etwa dem menschlichen Sehfeld entspricht.
Objektive, an denen man den Bildwinkel innerhalb eines gewissen
Bereiches frei einstellen kann, nennt man "Zoom-Objektive". Objektive mit festem Bildwinkel nennt man "Festbrennweiten".
Und mit dem zuletzt genannten Begriff sind wir ungewollt schon beim Thema. Im fotografischen Alltag spricht nämlich niemand von Bildwinkeln, sondern man nennt stattdessen Brennweiten.
Und das hat seine Tücken.
Um die unterschiedlichen Bildwinkel herzustellen, bedarf es in der
Tat verschiedener Brennweiten des Objektivs. Statt "Tele" sagt man dann auch "lange Brennweite", und statt "Weitwinkel" spricht man von "kurzer Brennweite". Die Brennweite, die ungefähr einen natürlichen menschlichen Blickwinkel abbildet, nennt man "Normalbrennweite".
Soweit ist das noch klar.
Weniger klar ist, welche Brennweiten – in
absoluten Zahlen ausgedrückt – lang, normal oder kurz sind. Das hängt
nämlich davon ab, welcher Bereich der Abbildung tatsächlich bildwirksam genutzt wird - also wie groß das Bildfenster einer analogen Kamera bzw. die Sensorfläche einer Digitalkamera ist.
Eine alte Faustregel besagte: Die Normalbrennweite entspricht der Diagonalen des Bildfensters/Sensors. Das wären für das Kleinbild-Format nur 43,3 mm. In der Praxis hat sich allerdings 50 mm als Normalbrennweite für Kleinbildkameras durchgesetzt; wenn heute jemand von der Normalbrennweite spricht, meint er also fast immer 50 mm an Kleinbild. Die Normalbrennweite einer Kamera mit Sensor in APS-C-Größe liegt dann bei ungefähr 33 mm. An einer FourThirds-Kamera sind es 25 mm. An einer Kompaktkamera mit nochmal deutlich kleinerem Sensor kann die Normalbrennweite unter 10 mm liegen. Am anderen Ende, nämlich an digitalen Mittelformatsystemen, hat man Normalbrennweiten von 75 mm und mehr.
Will man die Bildwinkel von Kameras unterschiedlicher Sensorgrößen vergleichen, helfen uns die absoluten Brennweitenzahlen allerdings nicht weiter. Genau hier kommt die Kleinbild-Äquivalent-Brennweite ins Spiel. Um Bildwinkel vergleichen zu können, rechnen wir also die Brennweiten von Kameras, deren Sensorgröße nicht dem KB-Format entspricht, in "äquivalente KB-Brennweiten" um. Die oben genannten Normalbrennweiten für verschiedene Sensorgrößen sind ein gutes Beispiel dafür: Sie alle haben ein KB-Äquivalent von 50 mm.
Das Kleinbild-Äquivalent ist die Brennweite, die man an einer Kleinbild-Kamera benötigen würde, um denselben Bildwinkel zu erzielen wie mit der tatsächlich verwendeten Brennweite an der tatsächlich verwendeten Sensorgröße.
Der Crop-Faktor ist der Umrechnungsfaktor zwischen tatsächlicher Brennweite und KB-Äquivalent-Brennweite.
Als Formel: KB-Äquivalent-Brennweite = Echt-Brennweite * Crop-Faktor
Fragt sich noch, wie man mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen umgehen soll. Wenn das Seitenverhältnis der verglichenen Sensoren vom KB-Standardverhältnis 3:2 abweicht (z. B. wenn der Sensor ein Seitenverhältnis von 4:3 hat), unterscheiden sich die Crop-Faktoren für vertikalen und horizontalen Winkel. In solchen Fällen ist es allgemein üblich, den diagonalen Winkel zum Vergleich heranzuziehen; er bildet automatisch einen Kompromiss. Zum Beispiel das äquivalente Bild aus der 4:3-Kamera zeigt dann in der Höhe etwas mehr und in der Breite etwas weniger vom Motiv als das Bild aus der 3:2-Kamera. Völlig deckungsgleich können Bilder mit unterschiedlichem Seitenverhältnis nun mal nicht werden.
Falls man eine Kamera mit umschaltbarem Seitenverhältnis benutzt (was bedeutet, dass je nach Format ein bestimmter Teil des Sensors ungenutzt bleibt), sollte man den Crop-Faktor immer für das tatsächlich genutzte Format anpassen. Wenn man z. B. eine mFT-Kamera mit einem nativen Sensor-Seitenverhältnis von 4:3 und Crop-Faktor 2,00 verwendet, aber dann die genutzte Bildhöhe auf das Verhältnis 3:2 beschneidet, wird der Crop-Faktor auf 2,08 vergrößert.
Ein Spezialfall ist die Umrechnung, falls das zu vergleichende Sensorformat größer als das KB-Format ist, also wenn es um Mittel- und Großformatkameras geht. Hier ergibt sich ein Crop-Faktor, der kleiner als 1 ist - was die Bezeichnung "Crop-Faktor" unpassend erscheinen lässt. Trotzdem kann man die Umrechnung stur nach derselben Methode erledigen. Zum Beispiel für ein größeres Mittelformat ergibt sich ein Crop-Faktor von 0,6 gegenüber dem KB-Format.
Falls man eine Kompaktkamera mit fest angebautem Objektiv hat und gern den Crop-Faktor wissen möchte, sucht man danach in den technischen Daten vergebens. Da heißt es beispielsweise: "Brennweite 5,0 - 20,0 mm (KB 28 - 112 mm)"
Der Nutzer bekommt also das fertige KB-Äquivalent geliefert und spart sich das Umrechnen. Wer trotzdem den Crop-Faktor wissen möchte, kann ganz leicht durch Division zurückrechnen: Man teilt jeweils das KB-Äquivalent durch die tatsächliche Brennweite. Im genannten Beispiel wäre dies 28 geteilt durch 5 oder 112 geteilt durch 20. Da kommt jeweils ein Crop-Faktor von 5,6 raus.
Was massiv zur Verwirrung beiträgt, ist der uneinheitliche Umgang mit dem Crop-Faktor. Kameras mit fest eingebauten Objektiven werden nämlich anders behandelt als Kameras mit Wechselobjektiven.
Im Fall von Kameras mit fest eingebauten Objektiven wird erst gar kein Faktor als solcher angegeben. Stattdessen nennen die Hersteller von vornherein nur die äquivalenten Kleinbild-Brennweiten. Manche schreiben die Äquivalente sogar aufs Kameragehäuse drauf und zeigen sie während des Zoomens auf dem Bildschirm an. Die tatsächlichen Brennweiten stehen nur noch ganz klein vorn auf dem Rand des Objektivs - und in manchen Fällen nicht mal mehr dort. Kein Wunder also, wenn uninformierte Nutzer glauben, die Äquivalente seien die wahren Brennweiten – und sich dann über die größere Schärfentiefe wundern.
Auf Wechselobjektiven
für Systemkameras stehen weiterhin die wahren Brennweiten drauf; wer das KB-Äquivalent wissen will, muss den Crop-Faktor seiner Kamera kennen und dann selber die Brennweite umrechnen. Das gilt übrigens
– entgegen einem verbreiteten Irrtum – auch für alle Objektive, die speziell für Kameras mit kleineren Sensoren gebaut wurden.
Viele Anfänger fragen sich, warum auf diesen Objektiven nicht gleich die "fertig umgerechneten" Brennweiten angegeben werden - denn das würde den Vergleich mit Kompaktkameras
und deren KB-Äquivalent-Angaben erleichtern.
Aber wenn man auf Objektive die KB-Äquivalente statt der echten
Brennweiten druckt, droht Verwirrung an anderer Stelle. Was man leicht übersieht: Das KB-Äquivalent eines Objektivs
ist gar nicht von vornherein festgelegt. Teilweise kann man dieselben Objektive an Kameras mit verschieden großen Sensoren verwenden. Manche Kameras erlauben sogar Formatumschaltung und zusätzliche Crops, z. B. um mit einer Teilfläche des Sensors zu arbeiten und dadurch eine höhere Serienbild-Geschwindigkeit oder bessere Videoqualität zu erzielen. Da
wüsste man gar nicht, welchen Crop-Faktor man in die Angabe auf dem Objektiv einrechnen
soll. Der Crop-Faktor ergibt sich erst aus der tatsächlich genutzten Sensorfläche.
Nochmal zusammengefasst, weil es da so oft Missverständnisse gibt:
Einen "fertig eingerechneten Crop-Faktor" findet man
zwar bei Kameras mit fest eingebauten Objektiven, aber niemals bei Wechselobjektiven. Auf Wechselobjektiven stehen immer die wahren, physikalischen Brennweiten drauf,
deren KB-Äquivalente man im Bedarfsfall selber ausrechnen muss.
Das gilt systemübergreifend und markenübergreifend.
Auch wenn Objektive speziell für Kameras mit kleinerem Sensor gebaut werden, hat dies keinen
Einfluss auf die aufgedruckten Brennweiten-Werte. Auch dort handelt es
sich immer um die physikalischen Brennweiten, nicht um Äquivalente. Man muss für die Umrechnung also nicht unterscheiden, für welches Film-
bzw. Sensorformat ein Objektiv ursprünglich gebaut wurde. Man muss das
KB-Äquivalent von Wechselobjektiven, wenn man es denn wissen möchte,
stets selber aus der tatsächliche Brennweite des Objektivs und dem Crop-Faktor der
verwendeten Kamera errechnen.
Beispiel: An einer MicroFourThirds-Kamera (Crop-Faktor 2,0) kann man ein 60-mm-Objektiv des Originalherstellers verwenden oder ein fremdes 60-mm-Objektiv adaptieren, das ursprünglich mal für eine KB-Kamera gebaut wurde. Für die Brennweitenangabe spielt das keine Rolle, denn beide Brennweitenangaben sind direkt vergleichbar. Beide 60-mm-Objektive haben an der MicroFourThirds-Kamera ein Kleinbild-Äquivalent von 120 mm.
Fehler bei der Umrechnung passieren häufig, wenn man Objektive, deren KB-Äquivalente man selber ausrechnen müsste, mit den fertig umgerechneten Äquivalenten der Kompaktkameras vergleicht. Wer z. B. eine Spiegelreflexkamera mit Crop-Faktor 1,5 besitzt und nun eine Kompaktkamera mit vergleichbarem Brennweitenbereich sucht, vergisst allzu leicht das Umrechnen der Brennweiten seiner Wechselobjektive. Je nach Situation kann es auch passieren, dass man versehentlich doppelt umrechnet, also den Crop-Faktor ein zweites Mal anwendet. Selbst erfahrenen Fotografen, denen die Äquivalent-Umrechnung eigentlich geläufig ist, unterlaufen hier noch Fehler.
In den EXIF-Daten digitaler Kameras steht auf jeden Fall die echte Brennweite drin, die für das Bild benutzt wurde. Manche Kameras nennen zusätzlich die KB-Äquivalent-Brennweite. Da gilt es, aufzupassen. Wenn man sich mal daran gewöhnt hat und beide Werte sicher unterscheiden kann, ist das KB-Äquivalent in den EXIF-Daten jedoch sehr nützlich und erspart so manche eigene Umrechnung.
Bitte auch nicht davon verwirren lassen, dass statt "KB-Äquivalent" manchmal von "35-mm-Äquivalent" oder "35-mm-Brennweite" die Rede ist. Diese ominösen 35 mm haben nichts mit Brennweiten zu tun, sondern beziehen sich auf die Breite des analogen Kleinbild-Films inklusive Perforationsrand (siehe Abbildung eine KB-Filmstreifens weiter oben). Das Wort "Kleinbild" ist nämlich nur im deutschen Sprachraum gebräuchlich; international hat sich eher die Bezeichnung "35 mm Film" eingebürgert. Heutzutage ist diese Namensgebung etwas unglücklich, weil man für die Äquivalent-Rechnung nur die Filmfenster-Größe braucht, während die Gesamtbreite eines Filmstreifens niemanden mehr interessiert.
In dem Zusammenhang noch ein Hinweis zu den ähnlich verwirrenden Größenangaben der kleineren Sensoren: Die Sensoren von Kompaktkameras werden oft in Zoll-Größen angegeben - ausgehend von 1" (1 Zoll) in kuriosen Brüchen wie 1/2,3" oder 1/1,8". Es hilft in diesem Fall aber nichts, Zoll in Zentimeter umzurechnen. Diese Größenangaben leiten sich nämlich von den Außendurchmessern bilderzeugender Röhren ab, wie sie früher in Fernsehkameras benutzt wurden. Die bildwirksame Diagonale ist deutlich kleiner. Eine Kamera mit sogenanntem 1"-Sensor hat nicht etwa die vollen 25,4 mm (1 Zoll) Bilddiagonale, sondern nur 16 mm.
Bei all dem Durcheinander kann man sich die Frage stellen, ob man überhaupt
noch umrechnen muss. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Hobbyfotografen, die
ihr Hobby mit einer Kamera in "APS-C"-Sensorgröße (24 x 16 mm) oder mit einer
mFT-Systemkamera (17 x 13 mm) angefangen hat. Diese Leute haben
sich längst an die Brennweiten ihrer jeweiligen Kamera gewöhnt - genauso, wie
die Fotografen zur Analogzeit sich an die KB-Brennweiten gewöhnt hatten.
Dementsprechend sehen sie keinen Grund, im Alltag eine Umrechnung vorzunehmen.
Diese Leute haben
natürlich jedes Recht, so zu denken. Wer weiß, wie sich seine eigene Kamera mit einer bestimmten Brennweite verhält, muss nicht auf einen "Standard" umrechnen. Es ist also keineswegs ein Pflicht-Umrechnung. Man kann sich genauso gut die Brennweiten so merken, wie sie sind.
Wer als junger Mensch mit dem Euro aufgewachsen ist, kommt ja auch nicht
plötzlich auf die Idee, alle Beträge in D-Mark umzurechnen.
Wenn man auf eine Kamera mit anderer Sensorgröße umsteigt, muss man sich dann natürlich umgewöhnen. Und wenn man Brennweiten mit anderen Kameras vergleicht (z. B. mit Kompaktkameras), muss man deren KB-Äquivalent-Angaben ggfs. auf die eigene Kamera runterrechnen (siehe auch nächster Abschnitt). An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob man nicht doch lieber mit den etablierten KB-Äquivalenten arbeitet.
Zugunsten des alten Kleinbild-Standards spricht auch die Tatsache, dass die Hersteller von Spiegelreflexkameras und spiegellosen Systemkameras sich diesem Sensormaß wieder verstärkt zugewandt haben. Unter der Bezeichnung "FX" oder "Vollformat" hat sich der KB-Standard wieder eine wichtige Marktstellung erarbeitet. Die großen Sensoren sind zwar immer noch ein bisschen teurer als die kleineren, aber sie sind nun auch für die meisten Hobbynutzer bezahlbar. Aufgrund ihrer Größe haben sie gewisse technische Vorteile, die man nicht ganz wegdiskutieren kann. Wer deshalb mittelfristig über einen Umstieg auf das KB-Sensorformat nachdenkt, könnte sich per Äquivalent-Rechnung schon vorab an die entsprechenden Brennweiten gewöhnen.
Eine allgemeine Rückkehr zum KB-Standard, also dass eines Tages 24 x 36 mm die meistverwendete oder gar alleinige Sensorgröße in allen Kameraklassen wird, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Für kompakte Kameras hätten die großen Sensoren mehr konstruktive Nachteile – und auch kleinere Sensoren erreichen ja längst ein sehr hohes Qualitätsniveau. Dem Großteil der preisbewussten Kamerakäufer werden die KB-Brennweiten also auch künftig nur noch als Äquivalent begegnen.
Möchte man zwei Kameras vergleichen, von denen keine dem KB-Format entspricht, kann man auf eine weitere Idee kommen: Warum sollte man beide auf einen "allgemeinen Standard" umrechnen? Es reicht doch, die Brennweiten einer der Kameras auf die der anderen Kamera umzurechnen - also einen individuell definierten Crop-Faktor zu benutzen, dessen Basis nicht das KB-Format ist.
Angenommen, jemand benutzt abwechselnd eine DSLR von Canon mit einem Crop-Faktor von 1,6 und eine DSLM (spiegellose Systemkamera) von
Panasonic mit einem Crop-Faktor von 2. Dann wird es gelegentlich vorkommen, dass Bildwinkel verglichen werden sollen. Man möchte z. B. wissen, mit welcher der Kameras man mehr Weitwinkel- oder mehr Telewirkung erzielt. Oder man möchte wissen, welche Objektive man für die eine Kamera kaufen muss, um mindestens denselben Bildwinkelbereich wie an der anderen Kamera abzudecken.
Im Normalfall wird man die Brennweiten beider Kameras auf das KB-Äquivalent umrechnen (d. h. jeweils mit dem Crop-Faktor multiplizieren) und dann vergleichen. Möchte man die passende Brennweite für ein neues Objektiv wissen, wird man die benötigte KB-Äquivalent-Brennweite wieder durch den jeweiligen Crop-Faktor teilen.
Alternativ könnte man nun den direkten Crop-Faktor ermitteln. Den bekommt man, indem man den Crop-Faktor des kleineren Sensors durch den des größeren Sensors teilt - in diesem Beispiel rechnet man 2 geteilt durch 1,6 - also 1,25.
Mit dieser neuen Zahl kann man nun direkt ermitteln, welche Brennweite der Canon-Kamera mit welcher Brennweite an der Olympus-Kamera vergleichbar ist. Zum Beispiel würde man, um den Bildwinkel von 12 mm Brennweite an der Olympus zu erreichen, an der Canon eine Brennweite von 15 mm benötigen. Den Umweg übers KB-Äquivalent (das in diesem Fall übrigens 24 mm beträgt) hätte man sich gespart.
Mathematisch spricht erst mal nichts gegen individuelle Crop-Faktoren. Praktisch haben sie allerdings zwei Haken: Erstens birgt die Einführung individueller Crop-Faktoren eine Vielzahl weiterer Verwechslungsmöglichkeiten; selbst wenn man ein guter Kopfrechner ist und den Sachverhalt hundertprozentig begriffen hat, wird man sich aufgrund des Durcheinanders ab und zu verzetteln. Und zweitens liegen im Fall von Kompaktkameras meist schon die KB-Äquivalent-Brennweiten vor, so dass ein individueller Crop-Faktor nur ein unnötiger Umweg wäre. Man denke z. B. an die KB-Äquivalente, die in den EXIF-Daten vieler Kameras drinstehen - von den Prospektangaben und Werbeaussagen ganz zu schweigen. Da gibt es wenig Grund, ohne Not eine zusätzliche eigenwillige Umrechnung durchzuführen.
Ihr Kauf bei Amazon über den Banner oder diesen Link unterstützt die Seite fotovideotec.de.
Das KB-Äquivalent nach etablierter Definition ist ausschließlich ein Maß für den Bildwinkel - also den Bildausschnitt, den man von einem bestimmten Standpunkt aus aufnimmt. Der Bildwinkel/Bildausschnitt ist fraglos sehr wichtig, aber er sagt längst nicht alles über ein Bild aus. Was fehlt, ist ein Vergleich der Schärfentiefe und auch der Bildqualität – insbesondere der Bildqualität bei höheren ISO-Werten.
Wer ein Foto einmal mit einer "Vollformat"-Kamera bei 200 mm Brennweite und Blende 2,8 macht und dann dasselbe mit einer Crop-5-Kompaktkamera bei 40 mm Brennweite und ebenfalls Blende 2,8 nachahmt, erhält - trotz identischem KB-Äquivalent - nicht das genau gleiche Bild. Der Bildwinkel und somit der Bildausschnitt ist zwar derselbe, die Schärfentiefe ist jedoch auf dem Bild aus der Kompaktkamera sehr viel größer. Falls beide Bilder bei gleicher ISO-Zahl aufgenommen sind, kann außerdem die Bildqualität der Kompaktkamera nicht mit der aus der großen DSLR mithalten; das fällt dem kritischen Auge schon in ISO100-Bildern auf und erst recht bei Verwendung höherer ISO-Werte. Der Effekt ist erst mal unabhängig davon, ob beide Sensoren dieselbe Auflösung besitzen - wobei aber identische Auflösung den Vergleich etwas erleichtert.
Der technische Grund, warum kleine Sensoren nicht so rauscharm sein können wie große, liegt eigentlich auf der Hand: Ein kleinerer Sensor kann nicht so viel Licht einfangen. Dieses Mehr oder Weniger an insgesamt eingefangenem Licht wirkt sich aber nicht unmittelbar auf die Belichtungsrechnung aus. Man muss also nicht etwa aufgrund der geringen Sensorgröße länger belichten oder einen höheren ISO-Wert einstellen. Blendenwerte und ISO-Werte wurden eigens so definiert, dass sie über Brennweiten und Sensorformate hinweg
die gleiche Gesamtbelichtung liefern.
Wirklich gleich gut sind die Bilder deswegen noch lange nicht.
Den Unterschied bemerkt man daran, dass das Bild des kleineren Sensors trotz
identischem ISO-Wert stärker rauscht (immer vorausgesetzt, man vergleicht sie in
der gleichen Ausgabegröße).
Je nach Bildverarbeitung in der Kamera ist das Rauschen entweder direkt sichtbar oder es wird elektronisch "glattgebügelt", was dann zu Artefakten und einer Reduzierung der Detailinformation führt - also letztlich ebenfalls einem Verlust an technischer Bildqualität.
Auch für Laien unübersehbar ist der Qualitätsunterschied der Sensorgrößen bei Verwendung höherer ISO-Werte, aber kritische Betrachter sehen ihn
bereits in Basis-ISO-Einstellung.
Man kann sich den Zusammenhang durch folgende Überlegung anschaulich machen: Je kleiner der Sensor ist, umso stärker muss sein Bild für das gleiche Ausgabeformat vergrößert werden, und umso deutlicher kommen Bildfehler zum Vorschein. In der analogen Fotografie war das bereits ähnlich: Niemand hätte erwartet, dass bei Verwendung des gleichen Filmmaterials ein Bild aus einer Pocketkamera in gleicher Ausgabegröße dieselbe Bildqualität hat wie ein Bild aus einer Mittelformatkamera. Wollte man heute mit kleinerem Sensor eine vergleichbare Bildqualität erzielen wie mit einem großen Sensor, müsste man einen deutlich niedrigeren ISO-Wert verwenden. Umgekehrt kann man mit einem größeren Sensorformat problemlos höhere ISO-Werte verwenden, und man bekommt dann immer noch eine Bildqualität, die dem niedrigeren ISO-Wert am kleinen Sensor entspricht. (Das alles gilt erst mal theoretisch - denn in der Praxis setzt die Physik gewisse Grenzen.)
Und nun kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, nämlich der Schärfeverlauf.
Solange man äquivalente Brennweiten vergleicht und dabei jeweils die gleiche
Blendenzahl verwendet, kann man feststellen: Kleine Sensoren bewirken eine
größere Schärfentiefe und erleichtern das Erzielen einer Schärfe "von vorn bis
hinten". Große Sensoren bewirken eine geringere Schärfentiefe und erleichtern
somit das Fotografieren mit bewusst unscharfem Hintergrund. An dieser Stelle
hakt also das KB-Äquivalent.
Zur Erinnerung: Blendenzahlen sind definiert als Verhältnis von Eintrittspupille (das
ist, vereinfacht gesagt, der absolute Blendendurchmesser) und Brennweite. Eine Blendenzahl steht also nicht für eine feste Größe der Blende, sondern hängt immer auch von der Brennweite ab.
Die Kamerahersteller geben gern KB-äquivalente Brennweiten an. Aber die dazu
angegebenen
Blendenzahlen werden nicht etwa anhand der Äquivalent-Brennweiten berechnet,
sondern anhand der wahren, physikalischen Brennweiten – und die sind nun mal an Kameras mit kleineren Sensoren entsprechend kürzer.
Die gleiche Blendenzahl an einem Objektiv mit kürzerer Brennweite bedeutet eine kleinere absolute Öffnung. Im Fall einer äquivalenten Nutzung, also bei Nutzung einer kleineren Sensorfläche, ergibt sich insgesamt eine geringere Lichtaufnahme – auch wenn diese sich nicht unmittelbar in der Belichtungsrechnung niederschlägt.
Es drängt sich folgende theoretische Überlegung auf: Um dieselbe Gesamtmenge Licht auch auf den kleinen Sensor zu bringen, müsste man trotz kürzerer Brennweite die absolute Blendenöffnung genauso groß lassen.
Eine gleichbleibende Öffnung bei kürzerer Brennweite ergibt aber laut Definition eine niedrigere Blendenzahl.
Um an einer Kamera mit kleinerem Sensor die gleiche Gesamt-Lichtmenge auf den Sensor zu kriegen und zudem eine vergleichbar geringe Schärfentiefe zu erzielen
wie mit einem größeren Sensor, müsste das Objektiv eine höhere Lichtstärke im Sinne der Blendenzahl-Definition haben - also eine niedrigere Blendenzahl.
In den obigen Überlegungen fehlt noch eine Möglichkeit, die ganzen Zusammenhänge in klare Zahlen zu fassen.
Die einfache Brennweiten-Äquivalenz-Rechnung kennen wir ja schon:
KB-Äquivalent-Brennweite = Echt-Brennweite * Crop-Faktor
Der Crop-Faktor ist ein lineares Maß und lässt sich auch direkt auf die Blendenzahl anwenden, die ja laut Definition einen Größenfaktor für den Blendendurchmesser darstellt.
KB-Äquivalent-Blendenwert = Echt-Blendendenwert * Crop-Faktor
Da sich der ISO-Wert auf die Fläche bezieht, muss man hier mit dem Quadrat des Crop-Faktors rechnen. (Wenn z. B. ein Sensor doppelt so breit und doppelt so hoch ist, hat er die vierfache Fläche.)
KB-Äquivalent-ISO-Wert = Echt-ISO-Wert * (Crop-Faktor)²
So entsteht ein vollständiger - auch qualitativer - Vergleich verschiedener Sensorformate.
Der wohl häufigste Einwand gegen die Äquivalenz-Rechnung bezieht sich auf die Ermittlung der Gesamtbelichtung: "Das kann so nicht stimmen. Blende 5,6 ergibt doch immer dieselbe Belichtung, egal ob der Sensor klein oder groß ist." Tatsächlich aber sind die Umrechnungen von Blendenwert und ISO-Wert belichtungstechnisch neutral: Der höhere ISO-Wert wird von der größeren Blendenzahl (also kleineren Blendenöffnung) vollständig ausgeglichen. Wenn man konsequent vorgeht und beide Werte äquivalent umrechnet, wird die Belichtungsrechnung am Ende wieder stimmen. Eine Abweichung würde sich nur ergeben, wenn man z. B. für die Blende ein KB-Äquivalent errechnet und dies für den ISO-Wert unterlässt.
Die Äquivalent-Rechnung soll eine bessere Einschätzung von Schärfentiefe und Bildqualität (Artefaktneigung/Rauschen) erlauben. Für die Belichtungs-Berechnung ist sie erst mal unnötig. Aber wenn man sich zum Umrechnen entschließt, muss man immer beide Werte umrechnen, also Blendenzahl und ISO-Wert. Sonst geht die Rechnung natürlich nicht mehr auf – und die Kritiker der Äquivalenz-Rechnung schreien wieder laut auf.
Ich weiß, dass diese ganze Umrechnerei, wenn man noch nicht damit vertraut ist, erst mal abstrakt und schwer zu verstehen ist. Wenn Sie Schwierigkeiten damit haben, lesen Sie den obigen Abschnitt ruhig nochmal durch oder machen Sie auch mal eine Lesepause zum Nachdenken.
Wie schon die Brennweiten-Äquivalenz-Rechnung ist auch die Äquivalenz von Blendenzahl und ISO-Wert für die fotografische Praxis keineswegs notwendig. Sie ist eine Hilfsrechnung zum neutraleren Vergleich verschiedener Kameras und Objektive - nicht mehr und nicht weniger.
Man kann es nicht oft genug betonen: Es geht um theoretische Äquivalente. Die physikalischen Werte selbst ändern sich nicht. Brennweite bleibt Brennweite, Blendenzahl bleibt Blendenzahl und ISO-Wert bleibt ISO-Wert.
Wenn Sie künftig über solche Sachverhalte diskutieren (z. B. in einem Foto-Forum), achten Sie bitte auf korrekte Angaben und meiden Sie, wenn Sie auf das Äquivalent anspielen, missverständliche Aussagen wie: "Das Objektiv hat eigentlich Blende 8." Es gibt diesbezüglich schon viel zu viele falsche und unvollständige Angaben, die dann für Neulinge eine Verständnishürde darstellen. Wann immer Sie äquivalente Angaben machen, egal ob zu Brennweite, Blende oder ISO-Wert, schreiben Sie bitte konsequent "Äquivalent" oder "KB-Äquivalent" oder wenigstens "KB" dazu - auch wenn es manche Leser bereits nervt!
Angenommen, wir benutzen eine Superzoom-Kamera mit Crop-Faktor 5 bei 40 mm Brennweite, ISO100 und Blende 2,8. Um ein vergleichbares Bild mit einer "Vollformat"-DSLR zu machen, müssen wir dort laut obigen Formeln 200 mm Brennweite, ISO2500 und Blende 14 verwenden. Wir müssen an der DSLR wegen ihrer viel längeren Brennweite viel stärker abblenden, um die Schärfentiefe der Kompaktkamera zu erreichen; gleichzeitig müssen wir den ISO-Wert nach oben anpassen, um die kleinere Blendenöffnung auszugleichen. Das ist unterm Strich kein Nachteil, denn der große Sensor rauscht mit ISO2500 genauso stark wie der kleine Sensor mit ISO100 (zumindest theoretisch, wenn man technisch vergleichbare Sensoren annimmt). Insgesamt bekommen ja auch beide Sensoren gleich viel Licht ab - nur im Fall des kleinen Sensors ist alles auf eine kleinere Fläche zusammengestaucht. Die Blende ist (in absoluten Zahlen) in beiden Fällen gleich groß: Bei 200 mm und Blendenzahl 14 ergibt sich ein Durchmesser von 14,3 mm. Auch bei 40 mm und Blendenzahl 2,8 ergibt sich ein Durchmesser von 14,3 mm.
Die Umrechnung ist sehr nützlich beim Vergleich unterschiedlicher Kamerasysteme. Wenn z. B. ein Hersteller Festbrennweiten für das MicroFourThirds-Format (Crop 2,0) mit einer Lichtstärke von 0,95 anbietet, kann man ausrechnen, dass man für das gleiche Bildergebnis an einer KB-Kamera mit Blende 1,9 (und zum Ausgleich mit dem vierfachen ISO-Wert) arbeiten könnte.
Genauso verhält es sich mit besonders lichtstarken Kompaktkameras mit
sogenanntem 1″-Sensor, der einen Crop-Faktor von 2,7 mitbringt: Was die Kompakte bei ISO100, Blende 1,8 und
8,8 mm Brennweite liefert, schafft auch eine "Vollformat"-Kamera mit ISO800, Blende
5 und 24 mm Brennweite.
Alternativ könnte man eine "APS-C"-Kamera (Crop 1,5) bei ISO320, Blende 3,5 und 16 mm Brennweite nehmen.
(Werte sind gerundet.) Da kommt immer ein vergleichbares Bild raus mit gleichem Bildausschnitt, gleicher Schärfentiefe und gleichem
Rausch- bzw. Artefaktniveau.
Das heißt ja nun keineswegs, dass eine 1″-Kompaktkamera mit Lichtstärke 1,8 etwas Schlechtes wäre. Im Vergleich zu vielen anderen Kompaktkameras
und Smartphone-Kameras ist sie immer noch sehr gut für Lowlight geeignet. Aber
man darf die Lichtstärke 1,8 an einer Kamera mit kleinem Sensor nicht genauso
bewerten wie Lichtstärke 1,8 an einer Kamera mit großem Sensor.
Man muss, wenn man faire und praxisgerechte Vergleiche anstellen will, Objektiv-Lichtstärken immer mit der Sensorgröße in Bezug setzen.
Längst nicht alle Äquivalente, die man errechnen kann, findet man auch in der
Praxis wieder.
Angenommen, ich will mit einer Crop-5-Kamera eine Aufnahme
nachahmen, die im Kleinbildformat mit ISO100 und 85 mm Brennweite bei Blende 1,4
gemacht wurde. Das wird nicht gelingen. Ein Objektiv mit 17 mm Brennweite und Blende 0,28 gibt es ebensowenig wie einen Crop-5-Sensor mit ISO4.
Genauso werde ich am Markt nicht fündig, wenn ich das KB-Gegenstück zu einer Superzoom-Bridgekamera mit 60-fachem Zoom suche: Für ein Objektiv mit Lichtstärke 2,8 - 5,9 und Brennweite 3,58 - 215 mm an Crop 5,6 müsste ich an einer Kleinbild-Kamera ein Objektiv mit Blende 16 - 33 und 20 bis 1200 mm Brennweite verwenden. Sowas gibt es nicht.
Man kann rein physikalisch keine beliebig hohen Objektiv-Lichtstärken bauen - schon gar nicht in guter Qualität und zu erträglichen Preisen.
Für das KB-Format liegt die Vernunftgrenze heute bei 1,4 oder 1,2. Objektive mit kleineren Blendenzahlen als 1,0 sind
fürs KB-Format ziemlich exotisch und astronomisch teuer. Selbst für Systeme mit
kleinen Sensoren sind nur wenige bezahlbare Objektive mit Lichtstärken unter 1,0 auf dem Markt - und wenn doch, haben
sie bei Offenblende keine besonders gute Abbildungsqualität.
Objektive mit sehr großen Zoomfaktoren sind, wenn sie bezahlbar und trotzdem hochwertig sein sollen, immer für kleine Bildkreise ausgelegt. Daher gibt es Objektive mit Zoom-Faktoren von 30 oder mehr nur für Kameras mit relativ kleinen Sensoren
(Crop-Faktoren 4,8 und höher).
Für KB-Kameras könnte man auch Objektive mit sehr geringen Lichtstärken bauen, um bei einem Reiseobjektiv Volumen und Gewicht zu sparen.
Canon ist bislang der einzige Hersteller, der in seinem R-System so einen Ansatz
verfolgt (z. B. mit 800 mm Brennweite bei Lichtstärke 11). Die anderen
Hersteller halten sich mit niedrigen Lichtstärken noch zurück - vielleicht auch deshalb, weil
ihre AF-Systeme prinzipbedingt nur bis zur Objektiv-Lichtstärke 6,3 arbeiten.
Den ISO-Wert eines Sensors kann man nicht zugunsten besserer Qualität beliebig absenken, da an einem gewissen Punkt eine Übersättigung eintritt
und Überbelichtung verursacht. Kleine Sensoren mit sehr geringen ISO-Werten und einer mit großen Sensoren vergleichbaren Bildqualität bei Basis-ISO gibt es daher nur in der theoretischen Äquivalenzrechnung, aber nicht in der Wirklichkeit.
Solche Beispiele widerlegen aber nicht den Sinn der Äquivalenz-Rechnung insgesamt. Sie zeigen lediglich auf, dass man aufgrund technischer und/oder finanzieller Grenzen nicht jedes Kamerasystem beliebig skalieren kann. Man kann in der Praxis nicht jedes Bild mit jeder Sensorgröße machen. Es gibt einige Überschneidungen, wo man Sensorgrößen, Blendenzahlen und ISO-Werte gegeneinander aufrechnen kann und dann die Wahl zwischen mehreren Kombinationen hat. Aber je nach Anforderung hat man diese Wahl auch manchmal nicht; dann muss man gezielt eine Kamera mit einer bestimmten Sensorgröße benutzen. Das ist doch auch schon eine interessante Erkenntnis, die wir der Äquivalenz-Rechnung verdanken.
Das Umrechnen von Brennweiten auf KB-Äquivalent ist heute allgemein üblich und akzeptiert. Das Umrechnen von Blendenzahlen und ISO-Werten ist allerdings
noch nicht unumstritten. Erklär-Videos und Artikel zu dem Thema lösen immer noch Diskussionen aus.
Ein Teil der Zweifler hält den ganzen Ansatz für falsch, weil ja ein bestimmter ISO-Wert und eine bestimmte Blendenzahl unabhängig von der Sensorgröße immer die gleiche Belichtung ergeben. Diese Leute
übersehen wohl, dass ISO-Äquivalenz und Blenden-Äquivalenz sich in Bezug auf die
Gesamtbelichtung gegenseitig ausgleichen.
Es gibt aber durchaus auch einen fundierteren Einwand, der sich nicht ganz
entkräften lässt: Wenn man die Bildqualität mit dem ISO-Wert gleichsetzt und einfach
nur umrechnet, berücksichtigt man nicht die Besonderheiten verschiedener Sensoren
(verschiedenes Alter, verschiedene Pixelzahlen, verschiedene Hersteller).
Die Theorie hinter der ISO-Umrechnung geht von "vergleichbaren" Sensoren aus, die auf dem technisch exakt gleichen Stand sind.
Die hat man aber nicht immer vor sich. Oft ist es auch gar nicht so einfach,
technische Details über den Sensor einer bestimmten Kamera zu recherchieren.
Es gab ja seit Erfindung der Digitalfotografie enorme Fortschritte in Sachen
Rauschen und ISO-Qualität – etwa die Einführung von Microlinsen, den Übergang
von CCD auf CMOS, den Übergang von FSI zu BSI sowie diverse kleinere
Weiterentwicklungen, die Schritt für Schritt das ISO-Verhalten verbessert haben.
Ein aktueller kleiner Sensor kann also bei gleichem ISO-Wert genausowenig oder
weniger rauschen als ein älterer großer Sensor.
Idealerweise sollten für den
Vergleich auch beide Sensoren die gleiche Auflösung haben. Das spielt für die
praktische Bewertung allerdings keine so große Rolle wie man denken könnte, da man
immer das Ergebnis bei gleichem Ausgabeformat vergleicht. Die Vor- und Nachteile verschiedener Pixeldichten (z. B. höheres Rauschen in kleineren Pixeln)
können sich dabei von selber ausgleichen, weil kleinere Pixel nicht so stark vergrößert werden müssen wie große. Aber natürlich stimmt das nicht hundertprozentig und es kommt am Ende nicht das exakt identische Rauschmuster heraus, sondern bestenfalls ein angenähertes.
Und so richtig passt der Vergleich dann auch nur für Kamera-Rohformate, die
neutral konvertiert werden; würde man die subjektive Wirkung der unterschiedlichen
Kamera-internen JPEG-Bildverarbeitungen (Entrauschung, Kontrastkurven,
Schärfung, AI-gestützte Bildaufbereitung etc.) mit einbeziehen, würde der
Vergleich immer schwieriger.
Es ist und bleibt eine theoretische und modellhafte Umrechnung, die man nicht auf beliebige Kameras 1:1 anwenden kann. Mit Brennweite und Schärfentiefe klappt der Vergleich noch ganz gut, aber das Rauschverhalten von Sensoren kann selbst bei identischer Größe je nach Baujahr und Hersteller sehr unterschiedlich sein. So ist es duchaus möglich, Fotos aus einzelnen Kameras gegenüberzustellen, die scheinbar die Theorie widerlegen. Aber langfristig gleichen sich diese Unterschiede immer wieder aus: Vielleicht sind in diesem Modelljahr die kleineren Sensoren etwas rauschärmer, aber nächstes Jahr kommt wieder eine neue Technologie für die großen Sensoren und verschafft diesen wieder einen Vorsprung. Für umfassende Systemvergleiche erscheint eine Berücksichtigung der Sensor-Besonderheiten nicht besonders sinnvoll - besonders, wenn man bedenkt, wie kurzlebig Kameragehäuse und Sensoren sind, während man sich an ein Gesamtsystem und eine Sensorgröße durch den Kauf von Objektiven längerfristig bindet. Und die hier beschriebene Modell-Umrechnung von Brennweite, Blende und ISO liegt allemal näher an der Wahrheit als die geschönte Darstellung in Kameraprospekten, wo irreführenderweise nur die Brennweite umgerechnet wird.
Dass heutige Kameras insgesamt schon ein hohes Qualitätsniveau aufweisen und man auf kleineren Abzügen die Qualitätsunterschiede zwischen großen und kleinen Sensoren bzw. zwischen hohen und niedrigen ISO-Werten oft gar nicht sehen kann (abgesehen davon, dass auch viel mit Rauschunterdrückung getrickst wird), bleibt von der theoretischen Umrechnung unberührt. Man spricht dann von einem "Sättigungseffekt": Man bekommt aus der Kamera viel mehr Qualität als man für die jeweilige Anwendung überhaupt braucht; dies nivelliert in der Praxis die Unterschiede. Anwendungen, die wirklich die letzten Qualitätsreserven aus einer Kamera kitzeln, sind heute eher die Ausnahme - eine Tatsache, die man im ganzen Megapixel- und Sensorgrößen-Wahn leicht übersehen kann.
Die Hersteller und Werbetreibenden haben es ja nicht leicht: Sie müssen Kameras und Objektive anpreisen in dem Wissen, dass ein großer Teil der potentiellen Käufer über wenig bis gar keine technischen Grundlagen verfügt. Vereinfachungen komplizierter Sachverhalte sind da an der Tagesordnung. Die KB-Äquivalent-Brennweiten spielen in der Werbung für Kompaktkameras eine dominierende Rolle; die Information, dass es nur Äquivalente sind, geht je nach Hersteller teilweise oder sogar vollständig unter. Eine modellhafte Umrechnung auch von Blenden und ISO-Werten (um Kameras klassenübergreifend vergleichen zu können) sucht man in der Werbung vergeblich.
In Einzelfällen waren die Werbetreibenden schon frech genug, die Abbildung einer
großen DSLR mit lichtstarkem Tele-Objektiv zu zeigen und ihr eine Kleinsensor-Kompaktkamera mit angeblich gleichen Eigenschaften gegenüberzustellen
– wobei die Brennweite auf KB-Äquivalent umgerechnet wird, nicht aber die
Blendenzahl.
Dass dann oft noch weiter mit den Brennweiten getrickst wird, indem ein nutzloses "Digitalzoom" in die Rechnung mit einbezogen und somit ein größerer Zoombereich vorgegaukelt wird, macht den Bluff komplett.
Die rote Linie des Anstands ist dann überschritten, wenn ernsthaft der
Eindruck einer hohen Lichtstärke bei einer bestimmten KB-Brennweite erweckt
wird, ohne in irgendeiner Form darauf hinzuweisen, dass nur eine äquivalente -
also in Wahrheit viel kürzere - Brennweite gemeint ist und man somit die
angegebenen Lichtstärken nicht gleichsetzen darf.
Kenner bemerken den Trick natürlich sofort. Es wäre auch naiv, zu glauben, man könne aufgrund einer wundersamen Neuentwicklung plötzlich mit einem Bruchteil der Größe und des Gewichts einer
"herkömmlichen" Kamera genau dasselbe Ergebnis erzielen. Aber viele Kunden sind leider keine Kenner und fallen regelmäßig auf irreführende Werbung rein; man muss sich ja nur die diesbezüglichen Einsteigerfragen in den Foto-Foren anschauen.
Autor: Andreas Beitinger
Letzte Änderung: Oktober 2022
IMPRESSUM
DATENSCHUTZERKLÄRUNG